Wir haben die Planungshoheit
Katrin Lompscher will mit stadtentwicklungspolitischen Instrumenten Spekulanten stoppen
Sie stehen unter Beschuss. Wirtschaftsvertreter ätzen, dass Ihre Wohnungspolitik eine reine Klientelpolitik für die Wähler der LINKEN sei.
Diese Vorwürfe haben inzwischen den Charakter einer Legende. 75 Prozent aller Wohnungsbestände in Berlin sind im Besitz von Privaten und damit natürlich auch im Fokus meiner Stadtentwicklungspolitik. Wir haben im Koalitionsvertrag klare Festlegungen zugunsten einer sozialen Stadtentwicklung getroffen. Deshalb ist es für mich sehr wichtig, neben dem bezahlbaren Wohnungsneubau den Bestand preiswerter Wohnungen zu schützen.
Angeblich verhindert ihre Politik Neubau, ähnlich formuliert es sogar der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) immer wieder.
Die Baugenehmigungszahlen waren im ersten Quartal gesunken. Und gleich hieß es: Falsche Baupolitik. Im zweiten Quartal sind sie überall im Bundesgebiet gesunken, nur in Berlin sind sie gestiegen, und zwar über den Vorjahresstand hinaus. Darüber hat dann keiner mehr berichtet. Das zeigt, dass diese Zahlen kurzfristig sehr unterschiedlich sein können, aber keinen langfristigen Trend abbilden.
Bezahlbarer Wohnraum ist wegen steigender Mieten Mangelware geworden in der Hauptstadt. Wegen des starken Zuzugs fehlen auch absolut Wohnungen, der Neubau kommt nur langsam in Fahrt. Die rasant teurer werdenden Bodenpreise lassen preiswerten Neubau auf Flächen, die nicht dem Land gehören, utopisch erscheinen.
Initiativen der Stadtgesellschaft sind skeptisch, ob der rot-rot-grüne Senat seine Versprechungen einlösen kann. Dazu gibt es auch innerhalb der Koalition Streit über den richtigen Weg. Über diese Herausforderungen sprach mit Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) für »neues deutschland« Nicolas Šustr.
Kürzlich haben sich auch kleinere Wohnungsbaugenossenschaften beklagt, ohne Förderung keinen Neubau stemmen zu können. Das müsste Sie doch wirklich alarmieren?
Wir werden im neuen Doppelhaushalt 2018/2019 die Genossenschaftsförderung in Form von Eigenkapitaldarlehen wieder aufleben lassen, was insbesondere für Neugründungen interessant ist. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass ansonsten Genossenschaftseinlagen und gegebenenfalls Miethöhen zu zahlen sind, die sich Leute mit einem Berliner Durchschnittseinkommen und darunter nicht leisten können.
Auch bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften läuft es nicht rund. Es werden dieses Jahr weniger Neubauten fertiggestellt werden als ursprünglich geplant.
Die Gründe sind enorm vielfältig. Es gibt Baugrundschwierigkeiten, die sich erst zeigen, wenn man begonnen hat zu bauen. Es sind aber auch Genehmigungshindernisse unterschiedlichster Art. Und es gibt zunehmend Probleme bei den Ausschreibungen. Auch die Wohnungsbaugesellschaften haben damit zu kämpfen, dass die Bauwirtschaft dem Bauboom nicht ganz gewachsen ist. Deshalb müssen wir uns breiter aufstellen und auch nach neuen Wohnungsbaupotenzialen suchen, um die Zielzahlen, die ja weiterhin richtig sind, erreichen zu können.
40 000 Wohnungen, deren Bau genehmigt wurde, sind nicht fertiggestellt. Das liegt wohl auch an der Spekulation. Was können Sie da tun?
Wir haben momentan keine Handhabe. Es laufen Diskussionen in der Koalition, inwieweit man die Geltungsdauer von Baugenehmigungen reduzieren kann. Das ist eine Möglichkeit mit begrenzter Wirkung. Wir können die Bauordnung entsprechend ändern, aber das hilft uns nicht bei den bereits bestehenden Problemen. Entscheidend sind steuerliche Änderungen auf Bundesebene.
Ein Riesenproblem sind die rasant steigenden Baulandpreise. Sie versuchen, dem mit dem Erlass von Vorkaufsrechtsverordnungen beizukommen. Was bewirken diese?
Zunächst wird der Preis auf dem Niveau des Verkehrswertes zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung eingefroren. Und dann wird man später einen Verkehrswert ermitteln, der den Zielen entspricht, die an diesem Standort verfolgt werden, zum Beispiel preiswerter Wohnungsbau. Man hat mit solchen Instrumenten die Chance, tatsächlich Spekulationen etwas entgegenzusetzen. Ansonsten sind die Möglichkeiten auf der Landesebene, wie gesagt, gering.
So eine Verordnung haben sie kürzlich für das Gelände des Güterbahnhofs Köpenick angekündigt. Die Bahn verlangt viel Geld für nicht mehr benötigte Liegenschaften.
Sowohl die Bahn als auch der Bund sind bei ihrer Liegenschaftspolitik immer noch dem Höchstpreisprinzip verpflichtet. Deshalb können wir hier nur mit Planungsrecht oder anderen städtebaurechtlichen Instrumenten deutlich machen, dass die Planungshoheit bei der Kommune liegt. Ein schönes Beispiel ist der geplante Park am Westkreuz, wo es jetzt eine Flächennutzungsplanänderung geben wird, um die Bahnfläche in Grünfläche umzuwandeln. Und wenn ungeachtet dessen die Bahn zum Höchstpreis verkauft, muss der Käufer wissen, dass wir unsere Planungshoheit auch dort nicht aus der Hand geben.
Auf dem Westkreuzgelände hatte ein Investor ursprünglich hochfliegende Wohnungsbaupläne, die Bahn freute sich auf hohe Erlöse.
Natürlich würden da mit viel Aufwand auch ein paar wenige Häuser hinpassen. Aber zwischen diesen Gleisanlagen die Chance zu verspielen, auf dieser Fläche die Verbindung der Stadtteile zu verbessern und das Grünflächendefizit zu verkleinern, das wäre aus meiner Sicht eine kurzfristige Stadtentwicklungspolitik. Wir brauchen zusätzliche Wohnungen, aber wir sollten sie nur dort errichten, wo wir gute Voraussetzungen dafür haben und wo dadurch nicht neue Probleme geschaffen werden. Auf dem Westkreuzgelände wäre die Belastung durch Lärm erheblich und der bauliche Aufwand enorm. Eine Chance, dass man dort bezahlbare Wohnungen bauen könnte, besteht nicht.
Ein Thema, das vor der Sommerpause für Streit sorgte, war die Reform des Gesetzesrahmens für den alten sozialen Wohnungsbau. Wie geht es damit weiter?
Es gibt sehr unterschiedliche Erwartungen, wie diese Reform konkret ausgestaltet werden soll. Ich bin sehr froh, dass wir die ersten beiden Schritte, die wir in der Koalitionsvereinbarung verabredet haben, auch umgesetzt haben - und zwar zügig. Und wenn jetzt der nächste Schritt ansteht, sind die Vorstellungen nicht nur stadtpolitischer Initiativen, sondern auch innerhalb der Koalition so verschieden, dass noch Diskussionsbedarf besteht. Das ursprüngliche Ziel, nämlich zum 1. April nächsten Jahres tatsächlich diese neue Rechtsgrundlage verabschiedet und in Kraft zu haben, werde ich trotzdem nicht aufgeben.
Was sind die nächsten Schritte?
Die Koalition wird sich unmittelbar nach der Sommerpause damit beschäftigen und davon wird abhängen, ob wir danach auch einen Schritt weiterkommen. Dieser alte soziale Wohnungsbau krankt vor allem daran, dass seinerzeit Kostenmieten zugrunde gelegt wurden, die mit der finanziellen Leistungsfähigkeit der Menschen, die diese Wohnungen bewohnen sollen, nichts zu tun haben. Es besteht überhaupt kein Zweifel bei allen Koalitionären, dass wir im Interesse der Mieterinnen und Mieter hier handeln müssen.
Worin bestehen dann die Zweifel in der Koalition?
Es gibt Teile der Koalition, die stellen die finanziellen Auswirkungen für den Landeshaushalt stärker in den Vordergrund. Letztlich brauchen wir eine ausgewogene Lösung. Aber am Ende wird es keine Lösung geben, die alle Seiten hundertprozentig zufriedenstellt. Deshalb appelliere ich an alle Beteiligten, dass wir hier schnell zu einem Ergebnis kommen, damit wir uns den Themen wie Wohnungsneubau, wachsende Stadt, soziale Mischung und Nachhaltigkeit konsequent widmen können.
Bald steht auch der Tegel-Volksentscheid an. Warum soll der innerstädtische Flughafen unbedingt schließen?
Für die Berliner Stadtentwicklung wäre die Mobilisierung dieser größten innenstadtnahen Baulandreserve tatsächlich ein Geschenk. Das Flughafenareal ist größer als das Tempelhofer Feld, und es bietet aufgrund seiner Lage und der Bedingungen, die wir vorfinden, hervorragende Voraussetzungen für ein gemischtes integriertes Stadtquartier. Wir brauchen diese Fläche für die Zukunft der Stadt. Alles andere wäre zu kurz gedacht und letztlich nostalgisch.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.