Arppe hinterlässt Fragen

Mindestens zwei weitere AfD-Politiker nahmen an umstrittener Chatgruppe teil

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Holger Arppe ist ein Politiker, der die Öffentlichkeit bisher nicht scheute. Wie es sich für einen Abgeordneten heutzutage gehört, verfügt auch der 44-Jährige über Profile in den sozialen Netzwerken. Fast täglich meldete er sich zu Wort, kommentierte aus der für einen AfD-Politiker erwartbaren Perspektive das Geschehen. Seinen letzten Tweet setzte er am Freitag um 13.03 Uhr ab. Dann war Schluss.

Zu diesem Zeitpunkt wusste der Rostocker Landtagsabgeordnete bereits, dass seine politische Karriere in der AfD zu Ende ist. Er hatte seinen Austritt aus der der Schweriner Landtagsfraktion und der Partei über die neurechte »Junge Freiheit« verkündet, wohl wissend, dass die Zeitung taz und der Sender NDR ihr brisanten Recherchen veröffentlichen würden.

Beiden Medien waren Tausende Seiten Chatprotokolle aus einer internen Facebookgruppe zugespielt worden, in denen sich Arppe unter anderem wünschte, dass »das rot-grüne Geschmeiß auf den Schafott geschickt« werde und man die Gegner »an die Wand stellen« solle.

Neben diversen Gewaltäußerungen soll Arppe auch über kinderpornografische Sexualfantasien geschrieben haben. Die Urheberschaft dieser Äußerungen weist er zurück. Juristisch drohen dem Ex-AfD-Politiker bisher keine Konsequenzen. Da alle bekannten Äußerungen allgemein gehalten und in einem privaten Kreis geäußert wurden, ließe sich keine strafrechtliche Relevanz ableiten, so die Staatsanwaltschaft Rostock.

Anders sieht dies der Kinderschutzbund Mecklenburg-Vorpommern, der wegen mutmaßlich geäußerter pädophiler Sexfantasien strafrechtliche Schritte gegen Arppe und weitere Beteiligte prüft. Geschäftsführer Carsten Spies verlangt, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Arppe sein Mandat zu entziehen. Das sei bisher nicht möglich, so Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider. Der Fall habe eine Gesetzeslücke offenbart, sagt auch Fraktionschefin der Linkspartei in Schwerin, Simone Oldenburg. »Die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern müssen vor solchen Menschenfeinden geschützt werden, wie es Herr Arppe aus meiner Sicht ist.«

Im Gespräch ist eine Verfassungsänderung, wonach ein Abgeordneter, der das Ansehen des Parlamentes grob missbraucht, unter Anklage gestellt werden kann. Das Landesverfassungsgericht könnte dann den Entzug des Mandats beschließen. Ob diese Gesetzesänderung kommt, ist offen. Ebenso unklar bleibt, wie viele AfD-Politiker Teil der fragwürdigen Chatgruppe waren. SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Krüger fordert Aufklärung darüber, wie weit »das rechtsextreme Netzwerk um Holger Arppe« in die Rechtsaußenpartei reiche. Weitere Enthüllungen von taz und NDR aus den Protokollen zeigen, dass noch mindestens zwei weitere Abgeordnete zeitweise Teil der Chatgruppe waren. Dabei handelt es sich um die AfD-Parlamentarier Thomas de Jesus Fernandes und Sandro Hersel.

Ersterer schrieb als Antwort auf eine von Arppes Mordfantasien: »Du weißt aber schon das dieses Rotgrüne Geschmeiß trotz ihrer Abartigkeit nur willfähige [sic] Erfüllungsgehilfen sind.« Hersel fiel im Chat durch Äußerungen auf wie: »Brennende Flüchtingsheime sind kein Akt der Aggression, sondern eine Akt der Verzweiflung gegen Beschlüsse von oben.«

Noch bedenklicher als derlei Äußerungen sind Hinweise auf mögliche Verbindungen in ein mutmaßliches rechtes Terrornetzwerk, gegen das die Behörden ermitteln. Als vergangene Woche die Polizei mehrere Wohnungen wegen des »Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat« in Rostock und Grabow durchsuchte, soll der Hinweis dafür laut »Welt« aus einer Befragung im Zusammenhang mit dem ebenfalls unter Terrorverdacht stehenden Bundeswehr-Oberleutnant Franco A. gekommen sein.

Demnach habe ein Bundeswehroffizier der Reserve dem Verfassungsschutz Hinweise auf eine Gruppe von Neonazis in Norddeutschland geliefert, die sich angeblich für einen »Bürgerkrieg« mit Waffen ausrüsten.

Hier wird es pikant: Bei einem der Beschuldigten handelt es sich um den Rostocker Anwalt Jan Hendrik H., zu dem auch Arppe in der Vergangenheit Kontakt hatte. Beide kennen sich aus der Arbeit in der Rostocker Bürgerschaft. Dass H. offenbar im Besitz mehrere Schusswaffen ist und schon länger einen tiefen Hass gegen Linke hegt, wusste der Ex-AfD-Politiker wohl schon länger. In einem Chat im Jahr 2015 schrieb Arppe über H.: »Typ würde perfekt in unsere Reihen passen. Er hasst die Linken, hat einen gut gefüllten Waffenschrank in der Garage und lebt unter dem Motto: Wenn die Linken irgendwann völlig verrückt spielen, bin ich vorbereitet.«

Ob das alles nur ein merkwürdiger Zufall ist, will die Linkspartei klären, die das Thema am Montag im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags ansprechen wollte. Auch der Schweriner Landtag will sich nach seiner Sommerpause damit befassen.

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