- Politik
- Friedensbewegung
Ostermärsche: Auferstehung einer Bewegung
Friedensbündnisse haben bundesweit mehr als 100 Aktionen angekündigt
Potsdam war wieder am schnellsten. Wie in den vergangenen Jahren versammelten sich Friedensaktivisten in der brandenburgischen Landeshauptstadt bereits eine Woche früher zum Ostermarsch als im Rest der Republik. Mehrere hundert Menschen zogen am vergangenen Samstag unter dem Motto »Gegen Aufrüstung und Militarisierung von Politik, Staat und Gesellschaft – für eine friedliche Welt!« durch das Stadtzentrum. Vor dem Potsdamer Brandenburger Tor am Luisenplatz waren Plakate mit Friedenstauben und der Aufschrift »Pace« (deutsch: Frieden) zu sehen, auf Transparenten stand: »Frieden mit Russland« oder »Nein! Zu US-Raketen in Deutschland! Nein! Zur Kriegstreiberei!«.
Auch in Holzdorf an der Landesgrenze zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt fand der Ostermarsch bereits vor Ostern statt: Am Sonntag folgten knapp 100 Personen dem Aufruf der Linken zum Protest gegen das Raketenabwehrsystem Arrow 3, das auf dem dortigen Fliegerhorst der Bundeswehr stationiert werden soll.
Die Zahl der Friedensdemonstranten in Potsdam und Holzdorf lässt keine Rückschlüsse auf die gesamte Mobilisierung zu den diesjährigen Ostermärschen zu. Die Friedensbewegung jedenfalls setzt auf eine rege Beteiligung angesichts eskalierender Kriege und Krisen sowie massiver Aufrüstungsprogramme in Deutschland und in der Welt. »Die Ostermärsche 2025 werden einen deutlichen Kontrapunkt zu den Debatten um Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit setzen«, sagt Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative in Bonn.
Bundesweit sind am Osterwochenende in mehr als 100 Orten Aktionen geplant. Das Netzwerk mobilisiert mit dem Aufruf »Kriege stoppen – Frieden und Abrüstung jetzt!« zu den Osteraktionen. Ein Appell erschien als Anzeige in mehreren Zeitungen, auch im »nd«.
»Wir brauchen keine Milliarden für eine ungezügelte Aufrüstung und ein globales Wettrüsten, sondern Abrüstung und Rüstungskontrolle«, heißt es im Aufruf des Netzwerks zu den Veranstaltungen. Sozialabbau oder neue Schulden für Aufrüstung auf Kosten von Bildung, Klimaschutz und dringend nötigen Investitionen seien inakzeptabel. Die Kooperative fordert zudem mehr Einsatz für diplomatische Initiativen zur Beendigung der Kriege insbesondere in der Ukraine und Gaza. »Die Friedensbewegung begrüßt die derzeit laufenden Bemühungen um Verhandlungen über einen (teilweisen) Waffenstillstand in der Ukraine – auch wenn diese momentan nur bescheidene Ergebnisse vorweisen können«, hieß es. Einseitige Kompromisse zulasten der Ukraine könnten nicht zu einem gerechten Frieden führen.
»Die Ostermärsche 2025 werden einen Kontrapunkt zu den Debatten um Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit setzen.«
Kristian Golla Netzwerk Friedenskooperative
Zwei weitere Dachverbände, die Kooperation für den Frieden und der Bundesausschuss Friedensratschlag, haben einen eigenen Aufruf verfasst. »Die diesjährigen Ostermärsche finden in Zeiten extremer Zuspitzungen statt«, steht darin. Der Tenor in Politik und Medien sei der eines bevorstehenden militärischen Konfliktes mit der beständigen Aufforderung, kriegstüchtig zu sein. Diese »Kriegsertüchtigung« und Militarisierung durchdringe alle zivilen Einrichtungen.
Die geplante Umstellung auf eine Kriegswirtschaft erreiche bislang beispiellose Milliarden-Dimensionen. Zudem drohe von Seiten Deutschlands eine Relativierung internationalen Rechts und die Missachtung eigener Beschränkungen von Waffenexporten in Krisen- und Kriegsgebiete. Diese Sorgen vieler Menschen fänden in den Ostermärschen »ein politisches Ventil«.
Nach dem Auftakt in Potsdam und Holzdorf sind für Gründonnerstag Demonstrationen in Erfurt, Freiburg, Königs Wusterhausen und Regensburg angekündigt. Am Karfreitag wollen Kriegs- und Atomkraftgegner zur Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau ziehen. Die Fabrik ist vom deutschen Atomausstieg ausgenommen.
Die meisten Aktionen finden am Osterwochenende selbst statt. Außer in großen Städten wie Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main und München und dem traditionellen dreitägigen Ostermarsch Rhein-Ruhr gibt es auch in kleineren Orten Aktionen, etwa im nordhessischen Witzenhausen oder auf den Inseln Norderney und Rügen. Auch die Rüstungsfirma Rheinmetall in Unterlüß bei Celle ist Ziel eines Ostermarsches. Weil dort für den Ausbau der Munitionsfabrik ein Kleingarten weichen musste, steht die Demo dort unter dem Motto »Tomaten statt Granaten«.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Organisiert werden die meisten Aktionen von lokalen Bündnissen. Bei einigen Demos sind Mitglieder der SPD, der Linken und des BSW als Redner*innen angekündigt, ebenso Gewerkschafter, Kirchenvertreter sowie Menschen aus Flüchtlingsinitiativen und der Palästina-Solidaritätsbewegung.
Die Ostermärsche haben in der Bundesrepublik eine lange Tradition. Der erste führte 1960 mit 1500 Teilnehmer*innen zum Truppenübungsplatz Bergen-Hohne in der Lüneburger Heide. Dort hatte die Nato Raketen vom Typ »Honest John« stationiert, die Atomsprengköpfe aufnehmen können. Beflügelt von den Protesten der Studierenden, hatten die Antimilitaristen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre Zulauf. 1967 beteiligten sich 150 000 Menschen an Ostermärschen in mehr als 200 Städten, ein Jahr später waren es doppelt so viele.
Eine Renaissance erfuhren die Ostermärsche um 1980 mit der Debatte über die Aufrüstung der Nato mit atomaren Mittelstreckenwaffen. Zehntausende versammelten sich an den geplanten Standorten für Cruise Missiles und Pershing-II-Raketen. Die Kriege in Jugoslawien und im Irak mobilisierten in den 1990er und 2000er Jahren Zehntausende. In den vergangenen Jahren war die Beteiligung trotz heißer Kriege und Militarisierung überschaubar.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.