Kritik an Bauvorbereitungen für Ostsee-Pipeline

Energieunternehmen beginnen ohne Behördengenehmigung in Mecklenburg-Vorpommern mit ersten Arbeiten

  • Martina Rathke, Greifswald
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach der Gazprom-Tochter Nord Stream 2 startet auch das Energieunternehmen Gascade die Vorbereitungen im Zusammenhang mit der umstrittenen Ostsee-Pipeline - und das trotz fehlender Genehmigungen für den Bau beider Trassen. Gascade, das die 485 Kilometer lange Anschlussleitung Eugal von Lubmin bis an die deutsch-tschechische Grenze bauen will, liefert von vergangener Woche an die ersten Rohre an die künftigen Lagerplätze in Mecklenburg-Vorpommern.

Mit dem Bau der Leitung will Gascade nach Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses beginnen, den das Unternehmen eigenen Angaben zufolge für Mitte 2018 erwartet. »Bisher liegen wir im Zeitplan und gehen davon aus, dass alle Genehmigungen wie geplant vorliegen werden«, sagte Eugal-Gesamtprojektleiter Ludger Hümbs am Mittwoch.

Der Umweltverband WWF und die Grünen kritisierten die Unternehmen. Gascade und Nord Stream 2 würden im Vorgriff auf freie Behördenentscheidungen Tatsachen schaffen und damit die Behörden unter Druck setzen wollen, sagte der Leiter des WWF-Ostseebüros, Jochen Lamp. Die Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock (Grüne) sagte, die Genehmigungsbehörden seien gefordert, jetzt für massive Transparenz zu sorgen. Es sei zu befürchten, dass Gascade und Nord Stream 2 mit ihren Investitionen die Behörden in ihren Abwägungsentscheidungen zu ihren Gunsten beeinflussen wollen.

Das Bergamt Stralsund wies die Bedenken zurück. »Den Druck haben die Unternehmen. Wir haben keinen, auch zeitlich nicht«, sagte der Leiter des für die Genehmigungen zuständigen Bergamtes Stralsund, Thomas Triller. Das Bergamt entscheide über den Antrag, sobald alle Unterlagen und Informationen vorliegen, nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung aller vorgebrachten Argumente. Nach Angaben des Bergamtes liegt für den Bau der Eugal-Leitung in Mecklenburg-Vorpommern bislang kein Antrag vor.

Die Grünen halten den Bau der Leitungen aus energie- und klimapolitischer Sicht für überflüssig. Der Bau trage nicht zu einer Diversifizierung der Energiemärkte in Europa bei. Das Festhalten am fossilen Energieträger Gas widerspreche dem Pariser Klimaabkommen, Nord Stream 2 agiere mit weit übertriebenen Annahmen zur künftigen Gasversorgung in Europa.

Die Gazprom-Tochter geht davon aus, dass im Jahr 2035 wegen des Rückgangs der Eigenförderung in der EU Gasimporte von 120 Milliarden Kubikmeter pro Jahr notwendig seien. »Mit einer Kapazität von 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr wäre Nord Stream 2 nur ein Teil der Lösung«, sagte Nord-Stream-2-Sprecher Jens Müller.

Nord Stream 2 hat eigenen Angaben zufolge bereits vier Milliarden Euro in den Bau der 1200 Kilometer langen Ostsee-Pipeline von Russland nach Lubmin investiert. Auf der Insel Rügen lagern inzwischen rund 45 000 Rohre, von denen bereits 2500 verlegefertig mit Beton ummantelt wurden. Allerdings wurden erst Mitte Juli die Erörterungen im deutschen Genehmigungsverfahren abgeschlossen.

Bauern wehren sich derweil gegen die von Nord Stream 2 geplanten Ausgleichsmaßnahmen. Auch in Dänemark, Schweden, Finnland und Russland gibt es bislang keine Genehmigungen für den Bau. Nord Stream 2 will Anfang 2018 mit dem Bau der Leitung beginnen. Der Zeitplan basiere auf den Erfahrungen aus dem Bau der ersten Nord-Stream-Trasse, sagte der Sprecher von Nord Stream 2.

Ein Unternehmenssprecher von Gascade bezeichnete die vorzeitige Rohrlieferung als ein »übliches Vorgehen für ein so großes Infrastrukturprojekt«. Das Unternehmen rechnet im Herbst mit der Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens. Für die in Lubmin geplante Anlandestation ist das Genehmigungsverfahren bereits eingeleitet worden. Die Erörterungen sollen im Oktober durchgeführt werden. dpa

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