Krankenkasse muss nicht für stationäre Behandlung zahlen

Urteile

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Das hat der 1. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts in Chemnitz in mehreren Urteilen vom 30. Mai 2017 (Az. L 1 KR 244/16, Az. 233/16, Az. 257/16, Az. 23/17, Az. 49/17 und Az. 50/17) in zweiter Instanz entschieden. Dies gelte grundsätzlich.

Im konkreten Fall ging es um Klagen des Klinikums Chemnitz. Dort waren Patienten stationär mit einer Chemotherapie behandelt worden. Die Übernahme der Kosten war von der Krankenkasse abgelehnt worden mit der Begründung, dass die Behandlung auch ambulant hätte erfolgen können.

Dagegen hatte das Krankenhaus vor dem Sozialgericht geklagt. Das Klinikum argumentierte, dass ein komplikationsloser Verlauf der Chemotherapie nicht absehbar gewesen sei und zudem die Therapie als stationäre Behandlung günstiger sei als eine ambulante Behandlung.

Weder das Sozialgericht noch das Landessozialgericht folgten dem. »Nach der Konzeption des Gesetzgebers sei die ambulante vertragsärztliche Versorgung vorrangig zu nutzen«, so das Landessozialgericht.

In den entschiedenen Fällen handele es sich um eine Fehlbelegung, weil es keine medizinischen Erfordernisse für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung gegeben habe.

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Es kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht in Kassel eingelegt werden. Am Landessozialgericht sind derzeit noch mehr als 20 weitere Verfahren dieser Art anhängig. dpa/nd

Krankenkasse muss für das Trödeln zahlen

Der Antrag eines Krankenversicherten auf Kostenübernahme kann als »fiktiv genehmigt« gelten, wenn die Kasse mit ihrer Entscheidung zu lange braucht. Wird der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Prüfung der Kostenübernahme einer beantragten Leistung beauftragt, hat die Krankenkasse maximal fünf Wochen Zeit, über den Antrag zu entscheiden - ohne zu Trödeln.

Das erklärte das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in einem am 31. Mai veröffentlichten Beschluss (Az. L 1 KR 702/16).

Nach dem Gesetz müssen Krankenkassen »zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen« über einen Leistungsantrag entscheiden. Ist ein Gutachten des MDK erforderlich, muss die Kasse den Antragsteller hierüber unterrichten, und die Frist verlängert sich auf fünf Wochen. Kann die Kasse diese Fristen nicht einhalten, muss sie den Versicherten ebenfalls informieren.

Im jetzt entschiedenen Fall hatte eine Mutter im Juni 2015 die Kostenübernahme für eine Mutter-Kind-Kur bei ihrer Krankenkasse beantragt. Die Kasse informierte die Frau darüber, dass sie den Antrag an den MDK weitergeleitet habe.

Sechs Wochen später lehnte die Kasse die Kostenübernahme ab. Die Frau habe in den letzten vier Jahren bereits eine Mutter-Kind-Kur erhalten. Eine weitere Kur sei daher nicht möglich.

Das Landessozialgericht verpflichtete die Krankenkasse zur Kostenübernahme. Denn die Kasse habe nicht innerhalb der hier vorgeschriebenen fünf Wochen über den Antrag entschieden. Damit gelte dieser Antrag als fiktiv genehmigt.

Ohne Erfolg hatte die Krankenkasse argumentiert, dass die Genehmigungsfiktion nur für Anträge gelten könne, bei denen Versicherte bereits in Vorleistung gegangen sind. Dies war hier bei der Mutter nicht der Fall.

Die Richter verwiesen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Aus dem Urteil des BSG vom 8. März 2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) gehe klar hervor, dass die Genehmigungsfiktion auch gelte, wenn der Versicherte für die Leistung nicht in Vorkasse gegangen ist. Anderenfalls würden mittellose Versicherte, die nicht diese finanzielle Möglichkeit haben, benachteiligt. epd/nd

Jobcenter darf Führerscheinpauschale nicht willkürlich festlegen

Jobcenter müssen sich bei der finanziellen Förderung von Fahrstunden und Führerscheinprüfung an realistischen Kosten orientieren. Wenn einem Arbeitslosen eine Pauschale für den Erwerb des Führerscheins gewährt werde, dürfe deren Höhe nicht willkürlich festgelegt werden.

Das besagt ein Urteil des Sozialgerichts Mainz (Az. S 14 AS 1063/15), das am 8. Juni 2017 veröffentlicht wurde.

Geklagt hatte ein Mann, der eine feste Zusage für einen Ausbildungsplatz in einem Fleischereibetrieb hatte, den er nur mit dem Auto erreichen konnte. Das Jobcenter des Landkreises Alzey-Worms hatte ihm einen Zuschuss in Höhe von 600 Euro bewilligt.

Weitere 600 Euro waren für den Fall in Aussicht gestellt worden, dass der angehende Fleischerlehrling die Führerscheinprüfung besteht. Dieses Vorgehen wurde vom Gericht nun für rechtswidrig erklärt. Zwar handele es sich bei einem Zuschuss für den Erwerb eines Führerscheins immer um eine Ermessensentscheidung des Jobcenters. Wenn in einem konkreten Fall ein solcher Zuschuss bewilligt werde, müsse dessen Höhe aber sachgerecht ermittelt werden.

»Der erkennenden Kammer ist niemand bekannt, der im Landkreis Alzey-Worms in der Lage gewesen wäre, mit allen Nebenkosten für 1200 Euro einen Führerschein zu erwerben«, heißt es in der Entscheidung. Auch das Anreizsystem mit zwei Raten in Höhe von 600 Euro sei »nicht sachgerecht, da es im Misserfolgsfall zu hohe Risiken beim Leistungsempfänger belässt«. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. epd/nd

Wiedereingliederung kann Hartz-IV-Mehr- bedarf begründen

Hartz-IV-Aufstocker können in der Phase der Wiedereingliederung nach langer Krankheit einen Hartz-IV-Mehrbedarf für Behinderte geltend machen. Ein Erwerbstätigenfreibetrag ist jedoch nicht zu berücksichtigen.

So urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am 5. Juli 2017 (Az. B 14 AS 27/16 R).

Im konkreten Fall musste der dialysepflichtige Kläger krankheitsbedingt in seinem Job aussetzen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund zahlte ihm nach Abschluss der stationären medizinischen Reha Übergangsgeld. So sollte die stufenweise Wiedereingliederung in die Erwerbsarbeit ermöglicht werden. Der Arbeitgeber zahlte während der Wiedereingliederung keinen Lohn.

Da das Übergangsgeld nicht ausreichte, beantragte der behinderte Mann noch Hartz-IV-Leistungen. Das Jobcenter in Straubing berücksichtigte bei der Berechnung der Leistungen eine Versicherungspauschale, einen Betrag für die Kfz-Haftpflichtversicherung und Fahrkosten, nicht aber den gesetzlichen Erwerbstätigenfreibetrag von 100 Euro monatlich.

Das Bundessozialgericht sprach dem Kläger nun höhere Hartz-IV-Leistungen zu. Allerdings könne er keinen Erwerbstätigenfreibetrag während seiner Wiedereingliederung geltend machen. Das gezahlte Übergangsgeld stelle kein Erwerbseinkommen dar, das den Freibetrag begründen könne. Denn während der Wiedereingliederung werde keine echte Arbeitsleistung erbracht.

Allerdings könne der Kläger einen Mehrbedarf für Behinderte in Höhe von 123,55 Euro monatlich beanspruchen. Zwar sei kein Grad der Behinderung festgestellt worden, der Kläger sei aber wegen seiner Dialysepflicht als behinderter Mensch anzusehen. epd/nd

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