- Politik
- Stand der Deutschen Einheit
Der Osten hinkt weiter hinterher
Regierungsbericht zum Stand der Deutschen Einheit konstatiert Unterschiede bei der Wirtschaftskraft
27 Jahre nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik bestehen weiterhin große wirtschaftliche Unterschiede zwischen Ost und West. Aus dem jährlich erscheinenden Bericht zum Stand der Deutschen Einheit, der am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligt wurde, geht hervor, dass die Wirtschaftsleistung je ostdeutschem Einwohner im Schnitt bei 73,2 Prozent des westdeutschen Niveaus liegt. Der Abstand hat sich in einem Jahr nur minimal verringert. Eine größere Lücke von 32 Prozent zwischen den Regionen würde sich ergeben, wenn man Berlin nicht für den Osten berücksichtigen würde.
Die scheidende Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke, die nicht erneut für den Bundestag kandidieren will, nannte als Ursache für die Unterschiede die »Strukturen der ostdeutschen Wirtschaft«. Diese sei kleinteilig und es fehlten Großunternehmen. »Der Osten ist weiter auf Hilfen angewiesen«, sagte die SPD-Politikerin. Diese sollten gezielt für strukturschwache Regionen eingesetzt werden, wenn im Jahr 2019 der Solidarpakt II, der das Rückgrat für die Finanzausstattung der ostdeutschen Länder bilden sollte, enden wird. Laut Bericht könnte sich der EU-Austritt Großbritanniens negativ auf die Ostförderung auswirken. Deutschland würde dann im EU-Durchschnitt als wohlhabender dastehen und könnte deswegen weniger von den europäischen Strukturfondsmitteln profitieren.
Die Bundesregierung nennt die Sicherung der Daseinsvorsorge in einigen ostdeutschen Regionen »eine Herausforderung«. In ihrem Bericht nennt sie in diesem Zusammenhang »eine vergleichsweise geringe Siedlungsdichte, wirtschaftliche Strukturschwächen und Finanzschwächen der Gemeinden«. Aus den strukturschwachen Regionen wandern weiterhin jüngere Menschen ab und die Älteren bleiben zurück. Das muss nicht immer an fehlenden Jobs liegen. Auch niedrigere Gehälter und die geringe Tarifbindung schrecken ab. Die Bruttodurchschnittslöhne lagen im Osten zuletzt bei 2640 Euro, in Westdeutschland bei 3230 Euro.
Zwischen 1990 und 2015 ist die Bevölkerung in den ostdeutschen Flächenländern von rund 14,8 auf 12,6 Millionen Einwohner zurückgegangen. Nach Einschätzungen der Bundesregierung wird sich dieser Trend fortsetzen. Dagegen hat die Bevölkerungszahl in Westdeutschland im gleichen Zeitraum um mehr als sieben Prozent zugenommen.
In den schwächsten Regionen fürchtet die Bundesregierung »gesellschaftliche Spaltungen bis hin zu radikalen Einstellungen«. Gleicke sagte, dass es in Bezug auf »rechtsextremistische Übergriffe keine Entwarnung« gebe.
Im Bericht werden aber auch positive Entwicklungen genannt. So ist die Lebenszufriedenheit der Ost- und Westdeutschen gestiegen. Allerdings zeigen die Kurven, dass diese auch schnell wieder sinken kann. Negative Auswirkungen hatten etwa die Einführung der Agenda 2010 und die Wirtschaftskrise.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!