»Was hier passiert, das ist Zensur«

Rund 700 Teilnehmer folgten Aufruf zur Demonstration gegen Verbot von »Linksunten Indymedia« in Freiburg

  • Dirk Farke, Freiburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz des kühlen Herbstwetters demonstriertem am Samstagabend mehrere Hundert Menschen in Freiburg gegen das Verbot der linksradikalen Internetplattform » Linksunten Indymedia«. Laut Veranstaltern waren rund 700 Protestierende dem Aufruf der »Soligruppe Unabhängige Medien« gefolgt. Viele Teilnehmer kamen aus dem benachbarten Frankreich und der Schweiz, um an der Dreisam gegen den Eingriff des Bundesinnenministeriums in die bürgerlichen Freiheitsrechte ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen und sich mit den Betroffenen zu solidarisieren.

Begleitet von einem Großaufgebot der Polizei zogen hier keine schwarz vermummten und Pflastersteine werfenden Randalierer durch die Innenstadt, sondern neben Linken vor allem Familien mit Hund und Kindern, die gerade ihren Wochenendeinkauf erledigt hatten. Man könne nicht grundsätzlich allem zustimmen, was auf der Plattform veröffentlicht wurde, erklärte eine junge Frau mit Kleinkind auf dem Arm. »Aber das, was jetzt hier passiere, das ist doch Zensur.«

In den verschiedenen Redebeiträgen, die auch ins Französische übersetzt wurden, betonten die Organisatoren, wie wichtig es in einer offenen Gesellschaft sei, diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die von den Mainstream-Medien ignoriert werden. Lucio, ein freier Journalist des linken Medienkollektivs Cinerebelde, unterstrich die Bedeutung unabhängiger Internetplattformen. Er habe linksunten.indymedia.org genutzt, weil dort frei von Redaktionsvorgaben, vorgegebenen Formaten und Profitmacherei gearbeitet werden konnte. Es sei jedoch zu befürchten, so der Journalist, dass das Verbot erst der Anfang sei. »Welche linke Plattformen werden als nächstes verboten?«, fragte Lucio. »Werden auch unsere autonomen Zentren und unsere Treffpunkte bald geschlossen?«

Die Redakteure von Radio Dreyeckland wiesen indes in ihrem Demonstrationsaufruf darauf hin, dass auf »Linksunten Indymedia« Demonstranten und Aktivisten darüber informiert hatten, was sie in einem Polizeikessel, in einem Gerichtsprozess und im Gefängnis erlebt haben. Sie vergleichen die Plattform mit einem Medium im Sinne von Bertolt Brechts Radiotheorie, demnach dieses Gerät Gespräche, Debatten und Dispute ermögliche.

Die Demonstrationsteilnehmer waren sich über die Notwendigkeit von Gegenöffentlichkeit in diesen Zeiten, in denen nicht nur in Russland und der Türkei, sondern auch in Deutschland die von der Verfassung garantierten Grundrechte eingeschränkt würden, weitgehend einig. Und auch darüber, dass dieses Verbot vor den Gerichten keinen Bestand habe. Ein Vereinsverbot ohne Verein sowie Durchsuchungen von Privatwohnungen und des Kulturtreffs in Selbstverwaltung (KTS) – unter bewusster Missachtung von Gesetzen –, wenn das legal sei, dann wäre Deutschland ein rechtsfreier Polizeistaat, so der Tenor.

Während der Protest durch die Freiburger Innenstadt zog, wiesen die Veranstalter per Durchsage darauf hin, dass die Polizei den Aufzug filme. Die Begründung: Die Teilnehmer skandierten immer wieder lautstark »Wir sind alle ›Linksunten Indymedia‹«. Das sei ab jetzt verboten, so die Beamten.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.