Schrieb Alice Weidel eine rassistische E-Mail?

AfD-Spitzenkandidatin bestreitet Urheberschaft / Riexinger: »Diese Mail ist eine Offenbarung.« / SPD-Vize Schäfer-Gümbel: »Das ist einfach Nazi-Sprache!«

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 5 Min.

Wo verortet sich AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel innerhalb der Rechtsaußenpartei? Öffentlich haftet ihr das Image einer »Gemäßigten« an. An dieser Erzählung hatte die Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl lange selbst aktiv mitgestrickt: So galt Weidel lange Zeit als eine der führenden Kräfte im immer noch laufenden Parteiausschlussverfahren gegen den völkischen Nationalisten Björn Höcke. Auch nicht zuletzt die bekannten Fakten zu Weidels Privatleben – sie lebt in einer eingetragenen Lebensparterschaft, war für internationale Konzerne tätig und vertritt wirtschaftsliberale Positionen – nährten den Glauben, dass die AfD-Spitzenfrau weitaus weniger in radikal rechten Gefilden verankert sei als etwa Parteivize und Co-Spitzenkandidat Alexander Gauland, der offen den Höcke-Flügel unterstützt.

»Marionetten der Siegermaechte des 2. WK«

Wie Weidel politisch tickt, dürfte nun auch durch Recherchen der »Welt am Sonntag« wieder zum Thema werden. Die Zeitung veröffentlichte eine E-Mail, die mutmaßlich von der AfD-Politikerin stammen soll und mehrere rassistische Bemerkungen und demokratiefeindliche Aussagen beinhaltet.

So wird in einer mutmaßlich von Weidel verfassten Mail vom 24. Februar 2013 die These aufgestellt, die Regierenden zerstörten durch eine Überschwemmung mit »kulturfremden Völkern wie Arabern, Sinti und Roma« systematisch die bürgerliche Gesellschaft, um sie als Gegengewicht auszuschalten. Weiterhin soll laut Zeitung Weidel geschrieben haben: »Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermaechte des 2. WK und haben die Aufgabe, das dt Volk klein zu halten indem molekulare Buergerkriege in den Ballungszentren durch Ueberfremdung induziert werden sollen.« Insbesondere letztere Äußerung würde Weidel in die ideologische Nähe der sogenannten Reichsbürger bringen, die unter anderem behaupten, bei der Bundesrepublik handelte es sich um keinen souveränen Staat. Zu der Zeit, aus der die Mail angeblich stammt, soll Weidel nach Angaben der Zeitung noch nicht Parteimitglied gewesen sein. Sie habe damals aber begonnen, sich im AfD-Vorläufer »Wahlalternative 2013« zu engagieren, schreibt die »WamS«.

AfD-Sprecher Christian Lüth erklärte auf dpa-Nachfrage, Weidel habe ihm versichert, diese Mail stamme nicht von ihr. Es handelt sich um »eine Fälschung«. Auch Gauland nahm die Co-Spitzenkandidatin in Schutz. »Diese E-Mail ist nicht ihre Sprache, passt gar nicht zu ihr«, sagte er der »Bild«. Sattdessen würde es sich um einen »üblen Versuch« handeln, »die AfD um jeden Preis aus dem Bundestag zu halten.«

Die »Welt am Sonntag« erklärt dagegen, ihr liege eine eidesstattliche Versicherung sowie weitere Aussagen vor, die die Echtheit der Mails bestätigen würden. Der Empfänger der Mail führte gegenüber der Zeitung unter anderem zur Begründung für Weidels Urheberschaft an, dass sich die Mail in der Betreffzeile auf ein Gespräch mit ihm beziehe und wie bei Weidel damals üblich von »Lille« unterzeichnet sei. Nach dpa-Informationen war »Lille« früher ein Spitzname Weidels. Die Korrespondenz stamme »aus dem ehemaligen Bekanntenkreis von Alice Weidel in Frankfurt am Main«, dem Banker, Kaufleute und Unternehmensberater angehörten, so die »Welt«.

Wie die Zeitung weiter berichtet, habe Weidel versucht, die Veröffentlichung der Recherche zu verhindern. Nachdem die AfD-Poltikerin durch die Redaktion vergeblich um eine Stellungnahme gebeten worden war, habe es Post von Weidels Anwalt gegeben, in der es hieß, es sei »falsch und rechtswidrig, öffentlich zu behaupten, unsere Mandantin habe diesen Text geschrieben oder auch nur diesen Verdacht zu äußern«.

Riexinger: »Diese Mail ist eine Offenbarung.«

Als erste Reaktion auf die Veröffentlichung twitterte Linksparteichef Bernd Riexinger: »Wir müssen verhindern, dass diese Nazis und Rassisten in den nächsten Bundestag einziehen. Diese Mail ist eine Offenbarung.« SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel erklärte: »Das ist einfach Nazi-Sprache!«

Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer fragte: »Biederfrau als Brandstifter? Wie rassistisch und völkisch denken @Alice_Weidel und Teile der AfD wirklich?«

Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kritisierte Weidel scharf. »Hinter der pseudo-bürgerlichen Fassade von Frau Weidel verbirgt sich die erschreckende Ideologie einer Reichsbürgerin«, sagte er der »Welt« (Online). »Die AfD von Gauland, Höcke, Meuthen und Weidel ist in Wahrheit eine Lügenpartei, die die deutsche Staatsordnung ablehnt und bekämpft.«

Weidel fiel schon früher öffentlich mit fragwürdigen Aussagen auf

Dass das bisherige öffentliche Bild Weidels nur bedingt der Realität entspricht, zeigte die AfD-Politikerin bereits kurz nach ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin auf dem Kölner Bundesparteitag im Frühjahr dieses Jahres: Sicher auch im Sinne eines Versöhnungsangebotes mit den völkisch Nationalen war ihre Aussage zu deuten, wonach die politische Korrektheit auf den »Müllhaufen der Geschichte gehöre«.

Auch das Spiel mit der gezielten Provokation beherrscht Weidel: Im Dezember 2016 erklärte Sie in der ARD-Talksendung »Maischberger«, Bundeskanzlerin Merkel trage aufgrund der Willkommenskultur indirekt Mitschuld am Tod einer Freiburger Studentin. Der Mordfall war zum Jahreswechsel in die Schlagzeilen geraten, da die Polizei einen Asylsuchenden als Hauptverdächtigen präsentierte. Für die Rechtsaußenvertreterin ein willkommener Anlass, die damalige Asylpolitik grundsätzlich in Zweifel zu ziehen.

Widersprüchlich war Weidels Verhalten zuletzt auch bei ihren vorzeitigen Abgang aus dem ZDF-Wahltalk »Deutschland, wie geht’s?« Die AfD-Politikerin verweigerte auf Nachfrage von Scheuer, sich vom Rechtsaußen Höcke zu distanzieren. Stattdessen verließ sie die Sendung und veröffentlichte schon kurz darauf eine Stellungnahme, was unter Beobachtern den Verdacht hervorrief, die Aktion sei im Vorfeld als Provokation geplant gewesen. Ohnehin ist fraglich, wie ernst es Weidel überhaupt noch mit einem Höcke-Rauswurf meint. Schon auf einer Pressekonferenz kurz nach dem Kölner Parteitag erklärte sie gegenüber Journalisten, im Bundestagswahlkampf auch gemeinsam mit dem Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden auftreten zu wollen. Schließlich sei man in derselben Partei. Klingt so jemand, der den Rausschmiss Höckes wirklich will? mit Agenturen

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