Für Pflichtteilsberechtigte: Was gehört zum Nachlass?

Erbrecht

  • Lesedauer: 2 Min.

Hierzu können Sie fordern, dass ihnen die Erben ein Nachlassverzeichnis vorlegen und auch, dass dies von einem Notar erstellt wird. Und zwar auf Kosten des Nachlasses. Ist der Nachlass wertlos, können die Erben nur die Kostentragung verweigern. Wenn der Pflichtteilsberechtigte den Notar selbst zahlt, können sie darauf bestehen, dass überschuldetem Nachlass ein notarielles Verzeichnis erstellt wird.

Die Arbeitsgemeinschaft Erb- recht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet in diesem Zusammenhang über einen früheren Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 12. August 2016 (Az. 6 O 2889/16).

Steuern sparen beim Verzicht

Erhält ein Bruder noch zu Lebzeiten der Eltern für den Verzicht auf seinen künftigen Pflichterbteilsanspruch von seinen Geschwistern eine Abfindung, darf ihn das Finanzamt mit höheren Steuern zur Kasse bitten. Erst wenn nach Eintritt des Erbfalles Geld für den Verzicht auf den Erbteil fließt, greift im Regelfall eine günstigere Besteuerung.

Das entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am 9. August 2017 veröffentlichten Urteil (Az. II R 25/15).

Im konkreten Fall hatte der Kläger 2006 zu Lebzeiten seiner Mutter auf seinen künftigen Pflichterbteil verzichtet. Im Gegenzug zahlten ihm seine drei Brüder eine Abfindung in Höhe von jeweils 150 000 Euro. Der Kläger hatte zudem von seiner Mutter bereits 2002 Schenkungen im Wert von über einer Million Euro erhalten.

Auch das Finanzamt freute sich und wertete nicht nur die Zuwendungen der Mutter als Schenkung, sondern auch die Abfindungszahlungen der Brüder. Das zuständige Finanzamt legte den Steuersatz der Steuerklasse I für Kinder zugrunde, wodurch sich insgesamt eine Schenkungsteuer in Höhe von fast 30 000 Euro ergab.

Das Finanzgericht Münster rechnete die Schenkungen der Mutter nicht den Abfindungen hinzu. Es berücksichtigte zudem den für die »übrigen Personen der Steuerklasse I« vorgesehenen Freibetrag von damals 51 200 Euro (heute 100 000 Euro). Die Schenkungsteuer wurde auf 10 810 Euro herabgesetzt.

Der BFH urteilte, dass zwar zu Recht die Schenkungen der Mutter bei der Berechnung der Steuerschuld nicht berücksichtigt wurden. Allerdings handele es sich bei den noch zu Lebzeiten der Mutter vereinbarten Abfindungszahlungen sehr wohl um Schenkungen zwischen Geschwistern. Danach sei die ungünstigere Steuerklasse II anzuwenden, bei dem ein Freibetrag von damals nur 10 300 Euro (heute 20 000 Euro) geltend gemacht werden kann.

Wäre die Abfindungszahlung für den Verzicht auf den Pflicht- erbteil erst nach dem Erbfall vereinbart worden, hätte das Finanzamt die günstigere Steuerklasse I anwenden müssen. Der Bruder hätte dann einen Freibetrag von 400 000 Euro geltend machen können.epd/nd

Der damalige Fall: Die Eltern errichteten ein Berliner Testament. Nachdem der Vater starb, verlangte der Sohn von der allein erbenden Mutter die Vorlage eines von einem Notar erstellten Nachlassverzeichnisses, um seinen Pflichtteil geltend machen zu können.

Die Mutter gab zwar Auskunft über den Nachlass, verweigerte aber die Hinzuziehung eines Notars, weil dessen Kosten vom Nachlass nicht gezahlt werden können. Der Sohn bot daraufhin an, die Kosten im Voraus zu zahlen.

Das Urteil: Das Oberlandesgericht stellte klar, dass der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Vorlage eines notariellen Verzeichnisses nicht dadurch berührt wird, dass der Erbe bereits ein privates Verzeichnis vorgelegt hat. Ansprüche auf Erteilung eines privaten und eines notariellen Verzeichnisses können neben- oder hintereinander geltend gemacht werden. Denn dem notariell aufgenommenen Verzeichnis kommt eine größere Richtigkeitsgarantie zu. Der Notar ist für dessen Inhalt verantwortlich, hat den Verpflichteten zu belehren und ist in gewissem Umfang zur Vornahme eigener Ermittlungen und Überprüfung der Richtigkeit der Angaben des Erben verpflichtet.

Die Kosten für das Verzeichnis fallen dem Nachlass zur Last. Ist dieser wertlos, kann der Erbe die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verweigern. Er braucht die Kosten nicht aus seinem privaten Vermögen zu begleichen. Wenn aber der Pflichtteilsberechtigte - wie in diesem verhandelten Fall - ausdrücklich anbietet, die gesetzlich anfallenden Notarkosten im Voraus direkt an den Notar zu entrichten, so muss der Erbe einen Notar mit der Erstellung des Verzeichnisses beauftragen. DAV/nd

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