Massenstreik gegen Macrons Pläne
Frankreichs Gewerkschaften sind beim Kampf gegen die Arbeitsmarktreform gespalten
Der erste große Streik- und Aktionstag nach der Sommerpause galt am Dienstag der Ablehnung der Arbeitsrechtsreform von Präsident Emmanuel Macron und seiner Regierung. Dazu hatte der Gewerkschaftsverband CGT aufgerufen, der rund 180 Kundgebungen im ganzen Land organisiert hat und allein in Paris 60 000 Menschen auf die Straße brachte.
In der Hauptstadt wurde der Demonstrationszug von der CGT-Führung von Generalsekretär Philippe Martinez angeführt. Weiter hinten, um die Abgrenzung zwischen Gewerkschaften und Parteien zu wahren, beteiligten sich auch Mitglieder der von Jean-Luc Mélenchon angeführten Bewegung »La France insoumise« und Kommunisten unter ihrem Nationalsekretär Pierre Laurent. An der Demonstration nahmen auch Mitglieder der Sozialistischen Partei teil, darunter ihr Präsidentschaftskandidat Benoît Hamon. Die seit der Wahlniederlage zerstrittene PS-Führung hatte zwar erklärt, sie unterstütze »alle Aktionen zur Abwehr von Macrons Arbeitsrechtsreform«, hatte aber nicht zur Teilnahme an den Streiks der CGT aufgerufen.
Der Streikaufruf wurde am Dienstag fast ausschließlich im öffentlichen Dienst befolgt, wo es Arbeitsniederlegungen bei der Post, der Bahn, dem Personennahverkehr, in Schulen und Krankenhäusern gab. Die hatten jedoch nur begrenzte Auswirkungen, da dem Aufruf der CGT nur die kleine linksradikale Gewerkschaft Solidaires, die Lehrergewerkschaft und die Studentengewerkschaft gefolgt sind.
Dagegen lehnten die beiden großen Gewerkschaftsverbände CFDT und FO die Teilnahme ab. Zwar haben auch sie Vorbehalte gegen einzelne Elemente der Arbeitsrechtsreform, halten sie aber grundsätzlich als sinnvoll und notwendig für die Überwindung der Massenarbeitslosigkeit und die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums. Sie akzeptieren die vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen geforderte Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, verwahren sich allerdings gegen die Versuche, auch die Rolle der Gewerkschaften einzuschränken. In diesem Zusammenhang würdigen CFDT und FO ausdrücklich der Regierung, die in den Verhandlungen seit Juni zahlreiche Einwände und Änderungsvorschläge dieser beiden Gewerkschaftsverbände aufgegriffen und in die Regierungsdekrete zur Reform eingearbeitet haben.
Während die CGT die Reform grundsätzlich ablehnt, die Annullierung der Regierungsdekrete verlangt und sich auf keinerlei Abstriche an sozialen Errungenschaften einlassen will, ist die CFDT traditionell für Reformen aufgeschlossen. FO hatte noch vor zwei Jahren zusammen mit der CGT die Änderungen des Arbeitsrechts durch das nach der Ministerin El Khomri benannte Gesetz bekämpft, das dann aber doch trotz großer Streiks und Demonstrationen durch die Sozialisten der Regierung Hollands durchgesetzt wurde. Aus dieser Niederlage hat FO die Schlussfolgerung gezogen, nicht wieder den Eindruck aufkommen zu lassen, sie habe keine eigenständige Position und folge im Schlepptau der CGT.
Die fehlende gewerkschaftliche Einheitsfront bei diesem ersten großen Streik- und Aktionstag könnte allerdings mit der Zeit noch zustande kommen, wenn die Umsetzung der Arbeitsrechtsreform von den Betroffenen in den Betrieben als einschneidend und unerträglich empfunden wird. Darum sind am 5. September Vertreter der fünf repräsentativsten Gewerkschaftsverbände, darunter CGT, CFDT und FO, zu einem informellen Meinungsaustausch zusammengekommen und haben trotz weiter bestehender Differenzen vereinbart, im Kontakt zu bleiben.
Die CGT hat für den 21. September zu einem weiteren Aktionstag aufgerufen - einen Tag vor der Ministerratssitzung, die die Regierungsdekrete zur Arbeitsrechtsreform verabschieden wird, und zwei Tage vor einem Aktionstag von »La France insoumise«. Die will sich als führende Kraft der linken Opposition gegen die Reform profilieren, die ihr Führer Mélenchon als »Sozialen Staatsstreich« bezeichnet. Kommentar Seite 4
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