De Masi will Europa im Bundestag verändern
EU-Abgeordneter der Linkspartei auf dem Weg nach Berlin / Politiker verortet sich im »realen linken Flügel« der Partei
Ort und Zeit sind etwas undankbar. Als Fabio De Masi an jenem Freitagvormittag fernab der Hamburger Innenstadt im nach wie vor als schwierig geltenden Stadtteil Wilhelmsburg für sich und seine Linken werben soll, verirrt sich trotz bestem Wetter nur gut ein Dutzend Menschen auf den baumumsäumten, teilweise überdachten Platz südlich der Elbe. Und selbst bei den wenigen, die gekommen sind, ist schnell klar: Die meisten gehören zum Tross, sind quasi von Berufs wegen erschienen.
Den 37 Jahre alten Hamburger Spitzenkandidaten der LINKEN für die Bundestagswahl ficht das jedoch nicht an. Tapfer hält De Masi quasi als Vorprogramm zum bundesweiten Spitzenkandidaten Dietmar Bartsch eine knapp halbstündige Rede, sagt dabei Sätze wie: »Lasst Euch nicht verarschen!« oder »Es ist eine Unverschämtheit, eine Schande, dass Menschen, die ihr ganzes Leben hinterm Bock gesessen und hart gearbeitet haben, im Alter nach Flaschen wühlen müssen anstatt sich um ihre Enkel zu kümmern. Das will die LINKE ändern.«
De Masi ist längst Politik-Profi, weiß, wann und wo er mit wem in welchem Ton reden muss. Schließlich sitzt der frühere Lehrbeauftragte für Volkswirtschaft an der Berlin School of Economics and Law - studiert hat er auf dem zweiten Bildungsweg in Hamburg, Berlin und Kapstadt - seit drei Jahren für die LINKE im Europaparlament, hat sich dort etwa im Panama Papers-Untersuchungsausschuss zu Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung über Parteigrenzen hinaus einen Namen gemacht.
Der im hessischen Groß-Gerau geborene Sohn eines italienischen Gewerkschafters und einer deutschen Sprachlehrerin zeigt sich entsprechend selbstbewusst und gleichzeitig zugewandt. Mit Kategorien wie Fundi oder Realo kann der frühere wissenschaftliche Mitarbeiter der LINKEN-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht nichts anfangen. »Ich sehe mich im realen linken Flügel.«
Entsprechend versuche er stets eine fachliche, seriöse Arbeit zu machen - und liegt damit nahe an seinem Vorgänger, dem als außenpolitischer Sprecher wohl bekanntesten »Hinterbänkler« der LINKEN im Bundestag: Jan van Aken. Der frühere Gentechnikexperte bei Greenpeace International und UN-Biowaffeninspekteur hatte es geschafft, in seiner achtjährigen Abgeordnetenzeit innerhalb kürzester Zeit in Rüstungsfragen zu einem medial und politisch gefragten Gesprächspartner zu werden.
»Natürlich habe ich Respekt vor seiner Arbeit und das spornt mich auch an«, sagt De Masi über seinen Vorgänger, mit dem er gemein hat, dass sie beide ihre Einkommen als Abgeordnete vollständig im Internet offengelegt haben. Inhaltlich habe er aber ganz andere Schwerpunkte, sagt De Masi. Er wolle im Falle seiner Wahl im Finanzausschuss mitarbeiten und seine Brüsseler Agenda weiterverfolgen: europäische Steuerpolitik, Eurokrise, Wirtschaftsthemen.
Warum er dann der Einfachheit halber nicht im Europaparlament bleibe? »Deutschland ist das unbestrittene politische und ökonomische Machtzentrum in Europa und wer die europäische Zusammenarbeit retten will, der muss die Verhältnisse in Deutschland ändern«, ist De Masis politische Antwort. Er hat aber auch ein für ihn privat wichtiges Argument: »Ich habe einen kleinen Sohn - und der lebt in Berlin.« Und er habe sich ausgerechnet: »Wenn ich in zwei Jahren noch einmal bei der Europawahl für weitere fünf Jahre antrete, dann ist er 14 - und ich habe seine halbe Kindheit verpasst.« dpa
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