Liebe ist stärker

Im Kino: »Porto« von Gabe Klinger

  • Christian Baron
  • Lesedauer: 3 Min.

Oft empfinden Liebende jene als außergewöhnlich, von denen sie am meisten verletzt werden. Die Faszination beruht in solchen Fällen gerade darauf, dass sie nicht erwidert wird. Das klingt verrückt: Auf der Suche nach einer Resonanzerfahrung projizieren manche ihr Bedürfnis auf jemanden, der es nicht erfüllen kann oder will. So als gäbe es eine richtige Liebe im falschen Menschen. Lange hat kein Film mehr diesen Gedanken so lebendig erkundet wie die nach der portugiesischen Hafenstadt benannte Romanze »Porto«.

Wenn Jake zu Beginn durch die Straßen zieht, dann reichen dessen elegische Körperhaltung und die morbiden Metropolenbilder völlig aus; denn ohne auch nur eine Ahnung vom zeitlich zuvor Geschehenen zu haben, ist klar: Hier trauert jemand um eine große Liebe. Sie hat nur wenige Stunden gedauert, die Folgen der Nacht mit der Französin Mati ließen den zuvor so optimistischen US-Amerikaner aber zum emotionalen Wrack mutieren.

Anton Yelchin präsentiert sich hier in seiner letzten großen Rolle. Er hatte gerade mit einer Reihe von Nebenparts in Hollywood für Aufsehen gesorgt, da starb er im Juni 2016 im Alter von 27 Jahren bei einem absurden Unfall. Er war der Bassist einer Punk-Band in »Green Room«, er war ein Zombie in »Only Lovers Left Alive« und er war Pavel Chekov in »Star Trek Beyond«. Aus ihm wäre ein großer Star geworden. Daran zweifelte kaum jemand im Filmgeschäft. Doch dann rollte sein Auto derart unglücklich die steile Auffahrt seines Grundstücks herunter, dass es ihn an einer Steinmauer erdrückte.

Es befinden sich noch einige fertig gedrehte Filme im Wartestand, die nach und nach in Deutschland ins Kino kommen. Zu einem Glanzauftritt in »Porto« verhalf ihm der brasilianische Regisseur Gabe Klinger. Nie zuvor hatte Yelchin in einem Film mitgespielt, der in vergleichsweise kurzer Dauer von 75 Minuten so viel Handlungsarmut in große Poesie verwandelt. Die ungewöhnliche Komposition leuchtet vor allem durch den Namen des Produzenten ein: Jim Jarmusch. Wer sich einen Film unter Beteiligung dieses Meisters der Lakonie ansehen will, muss schließlich wissen, was er sich vorgenommen hat.

Sein Alleinstellungsmerkmal ist die Ästhetisierung des Alltags. Jarmusch treibt das langsame Erzählen formal auf die Spitze, indem er viele Szenen in sogenannten Master Shots auflöst, also ganze Abschnitte im Weitwinkel zeigt. Stilistisch eifert ihm der junge Filmemacher Gabe Klinger nach. Das dürfte ein wichtiger Grund sein, weshalb Jarmusch ihn hier mit seiner Prominenz unterstützt. Klinger hat sein Setting klug gewählt. Bisher musste er als Dokumentarfilmer kaum begründen, warum er die in diesem Genre übliche Einstellungsgröße der Totalen verwendete. Für sein Spielfilmdebüt gelangen ihm jetzt mit diesem Jarmusch-Mittel dank der titelgebenden Stadt von ganz allein melancholische Aufnahmen.

Und die sind es, die diesen wundersamen kleinen Film atmosphärisch tragen. Die Archäologiestudentin Mati (großartig gespielt von Lucie Lucas) sieht tagsüber den Bauarbeiter Jake bei einer Ausgrabungsstätte, nachmittags im Zug und abends in einer Bar, wo sie sich kennenlernen. Sie irren ziellos durch die ihnen beiden fremde Stadt und unterhalten sich so vertraut wie sehr alte Freunde, derweil ihre Liebe in der Nacht flirrt wie Glühwürmchen im dunklen Wald. Porto ist die Kulisse für das Geheimnis zweier sich aus unerklärlichen Gründen anziehender Seelen.

Ob sich Jake und Mati im Restaurant bei der Hand halten, ob sie ihm von ihren Ängsten berichtet oder ob er ihr Umzugskisten vom Auto in die Wohnung trägt, immer geht es ohne Kitsch und Schmalz nur um zwei Menschen und ihre Geschichten, die sich in sanft ineinander geschnittenen Zeitsprüngen erschließen und nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht der beiden symbiotisch verschmelzen. Wenn Mati in den nächsten Tagen wie ausgewechselt scheint und für Jake eine Welt zusammenbricht, dann erzeugt der Film endgültig diesen einen Schmerz, dessen seltsame Schönheit lange nachhallt.

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