Von der Tarantel gebissene Bakterien?

  • Reinhard Renneberg, Merseburg
  • Lesedauer: 2 Min.

Den Ausruf »Pfui Spinne!« hört man oft, nicht nur von Menschen mit Arachnophobie (griechisch arachnos = Spinne, phobos = Angst). Gern auch: »wie von der Tarantel gestochen«.

Angst vor Spinnen scheint ein wichtiger Schutzreflex in unserer Evolution gewesen zu sein. Heute sterben allerdings vergleichsweise wenige Menschen an Spinnenbissen. In den USA gehen durchschnittlich 6,6 Tote im Jahr aufs Konto der Achtbeiner. Deutlich gefährlicher ist die Zunahme von Antibiotikaresistenzen: Herkömmliche Medikamente versagen bei einigen resistenten Bakterienstämmen. Allein in den USA betrifft das jährlich zwei Millionen Erkrankungsfälle. In China, wo bei jeder kleinen Erkältung sofort Antibiotika verschrieben werden, erwartet man in den kommenden Jahren Millionen Todesfälle durch antibiotikaresistente Bakterienstämme.

Was das mit Spinnen zu tun hat? In manchen medizinischen Handbüchern liest man noch heute die Empfehlung, entzündete Spinnenbisse mit antibiotischen Salben zu behandeln. Dabei versprechen die Gifte einiger Spinnenarten selbst, wirksame antibakterielle Wirkstoffe zu liefern.

Eine bekannte Alternative zu Antibiotika sind sogenannte Antimikrobielle Peptide, abgekürzt AMPs. Sie sind eine Form der Immunantwort bei fast allen Pflanzen und Tieren. Australische Forscher haben nun ein solches AMP aus dem Gift von Taranteln (Acanthoscurria gomesiana) isoliert und chemisch verändert.

Taranteln spinnen keine Fangnetze, sondern überwältigen die Beute überfallartig aus ihren Bodenhöhlen heraus. In Mitteleuropa werden Taranteln allerdings nur wenige Zentimeter groß und sind auch nur schwach giftig.

Das AMP Gomesin besteht aus 18 Aminosäuren, die linear in einer Kette verknüpft sind. Bekannt war, dass Gomesin die Zellwände von Bakterien platzen lässt. Die Australier veränderten nun das Gomesin, indem sie beide Enden des Moleküls chemisch verbanden und so ein Ringmolekül erzeugten.

Tests ergaben eine zehnfach höhere Wirksamkeit des stabileren Rings gegen Bakterienzellen. Neu war auch, dass das Ring-Gomesin gegen Krebszellen (Melanome und Leukämien) wirksam ist - ein sehr interessanter Ansatz. Bis zum zugelassenen Medikament ist es natürlich noch ein weiter Weg, aber ein erster Schritt ist getan.

Übrigens ist der eingangs zitierte Ausdruck »wie von der Tarantel gestochen« nicht korrekt: Taranteln haben keinen Stachel, stechen also nicht, sondern beißen. Im Mittelalter nahm man an, dass ein solcher Tarantelbiss zur stundenlangen »Tanzwut« führt. Die Tarantella, ein süditalienischer Volkstanz, erinnert wohl daran. Neulich wurde ich - trotz meines nicht mehr ganz passenden Alters - von meinen chinesischen Studenten zu einer Techno-Disco eingeladen. Nach einer halben Stunde fühlte ich mich völlig betäubt und erschöpft, allerdings nicht wie von der Tarantel gebissen, sondern eher vom wilden Affen ...

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