Auslegungssache
Bildungsrauschen
2016 verabschiedete die Bundesregierung das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das die Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen regeln soll (www.gesetze-im-internet.de). Für wissenschaftliche Mitarbeiter, Lehrbeauftragte und andere Beschäftigte im hiesigen Hochschulbetrieb sollte die Gesetzesreform eigentlich das Ende von sich aneinanderreihenden Zeitverträgen und Lohndumping bedeuten (www.bmbf.de). Doch das Gesetz brachte nur wenig Veränderung für die Betroffenen. Noch immer hangeln sich teils schon promivierte Wissenschaftler von Vertrag zu Vertrag, mit schlechter Bezahlung und ohne Renten- , Arbeitslosen- oder Krankenversicherung.
Grund dafür ist vor allem Eines: Die unpräzise Formulierung des Gesetzestextes an sich. Die Schwammigkeit, mit der die acht Paragrafen des »WissZeitVG« verfasst sind, hat dazu geführt, dass die Vorgaben des Gesetzes an den verschiedenen deutschen Wissenschaftsbetrieben teils völlig unterschiedlich ausgelegt werden. Die Bildungsgewerkschaft GEW hat aus diesem Grund eine Broschüre mit den 15 häufigsten Irrtümern zum WissZeitVG veröffentlicht und holt so nach, was die Gesetzesgeber versäumt haben (www.gew.de). Diese geben beispielsweise vor, die Vertragszeit müsse der Förderung der wissenschaftlichen Qualifizierung »angemessen« sein. Die Fragen, von welcher Qualifizierung die Rede ist und was »angemessen« bedeutet, bleiben unbeantwortet. Aus dieser vagen Darstellung wird von Betroffenen oft das Ende der Sechs-Jahres-Befristungen geschlossen. Laut GEW ist diese Annahme jedoch falsch. Denn schaut man auf die Promotions- und Habilitationszeiten, könne man feststellen, dass schon die Erstellung einer entsprechenden Arbeit vier bis fünf Jahre dauere. Bis zum Abschluss der Qualifizierung und der Veröffentlichung seien sechs Jahre schnell erreicht. Eine entsprechende Befristungsdauer von sechs Jahren gelte demnach laut Gesetz immer noch als angemessen.
Auch ist der Irrglaube weit verbreitet, dass keine befristete Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiter oder Mitarbeiterin mehr möglich sei, wenn die Beschäftigung weder zur Qualifizierung noch über Drittmittel finanziert ist, so die GEW weiter. Es werden an Hochschulen jedoch noch immer etliche Zeitverträge für Urlaubs- und Elternzeitvertretungen geschlossen. Auch in der Lehre gebe es Aufgaben, die zeitlich begrenzt sind, wie beispielsweise der Aufbau eines Labors. Hier greife dann das Teilzeit- und Befristungsgesetz - im Wissenschaftsbetrieb mehr Regel als Ausnahme.
Eine Befürchtung, die mit der unklaren Auslegung des WissZeitVG zusammenhängt, ist die, dass die Führungsebenen in den Wissenschaftsbetrieben den vorhandenen Interpretationsspielraum zu ihren Gunsten nutzen könnten und die Reform letztendlich den Betrieben und nicht den Angestellten hilft. Noch liegen dazu jedoch keine empirischen Studien vor. Von der Regierung ist eine Evaluation der Reform erst 2020 vorgesehen. Maria Jordan
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