Tausende bei »traumschöner antirassistischer Demo«
»Welcome United«-Parade in Berlin: Radikale Kurswende in der Migrationspolitik und im Umgang mit Asyl in Europa gefordert
Berlin. Viele Tausend Menschen sind in Berlin für gleiche Rechte von Geflüchteten und gegen Abschiebungen auf die Straße gegangen. Vor Ort war von einer überwältigenden Menge die Rede, die letzten Lautsprecherwagen konnten erst eine halbe Stunde nach Start des Zuges den Auftaktplatz vor dem Bundesinnenministerium verlassen. Über 20 Wagen wurden gezählt, auf ihnen werden jeweils verschiedene Forderungen für eine radikale Kurswende in der Migrationspolitik und dem Umgang mit Asyl in Europa vertreten.
»Wir haben insgesamt 7.500 Teilnehmer gezählt. Fast die Hälfte davon waren Flüchtlinge aus ganz Deutschland. Sie sind mit insgesamt 30 Bussen nach Berlin gekommen. Die restlichen Demonstranten kamen hauptsächlich aus Berlin«, sagte ein Sprecher am Samstagnachmittag. »Unsere antirassistische Parade soll so bunt wirken wie ein Karnevalsumzug«, so der Sprecher. Wie beim echten Karneval waren auch Themenwagen dabei. So hatten Flüchtlingshelfer eine Fähre nachgebaut. Auf dem echten Wasser wurde die Parade von einem Schlauchboot des Vereins »Sea-Watch« begleitet, das parallel auf der Spree fuhr.
Eine »traumschöne antirassistische Demonstration«, so die Interventionistische Linken. Es seien »richtig viele Menschen« unterwegs. Mit Blick auf die Parteien rechts der Mitte hieß es, »wir sind schon lange Migrationsgesellschaft - vielfältig und solidarisch«. Diese würden die Willkommenskultur nicht stoppen können.
»Wir werden uns nicht daran gewöhnen, was vor unseren Augen passiert«, hieß es im Aufruf zu der »Welcome United«-Parade, die nicht ohne Grund eine Woche vor den Bundestagswahlen in Berlin stattfindet. Die parteipolitische Konkurrenz ist stark vom Thema Migration geprägt, allerdings herrscht eine von Angstmache geprägte Stimmung, in der es immer wieder zu rassistischen Ausfällen kam.
Dennoch gebe es Hoffnung, sagte Newroz Duman, die die Parade mitorganisiert hat und bei Jugend ohne Rassismus aktiv ist. »In den kleinsten Dörfern gibt es Willkommensinitiativen, die sich zum großen Teil 2015 gegründet haben. Täglich melden sich Ehrenamtliche bei uns, die Rat brauchen, aber viele dieser Gruppen sind nicht sichtbar.« Auch das ist ein zentraler Aspekt der Demonstration: die andere Mehrheit zu zeigen, die des Willkommens, der solidarischen Hilfe für Geflüchteten, der demokratischen Selbstorganisierung über angeblich Trennendes hinweg.
Der Zug startete gegen 14 Uhr vor dem Bundesinnenministerium in Berlin. Mit dabei sind Flüchtlingsinitiativen wie das Roma Center Göttingen, Flüchtlingsräte und Selbstorganisierungen wie »Refugees4Refugees« aus Stuttgart, das Flüchtlingshotel City Plaza aus Thessaloniki, stadtpolitische Gruppen und solche, die sich für Gleichberechtigung einsetzen. Auch die linke Szene und demokratische AnwältInnen sind dabei. Aufgerufen hat auf das Netzwerk Attac. Im Vorfeld war von bis zu 15.000 Teilnehmern die Rede. nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.