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Prognose zu Direktmandaten: Die schwarze Republik

Bundestagswahl: Prognose zur Zahl der Direktmandate zeigt die Dominanz der Union

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Deutschland steuert auf die «schwarze Republik» zu. Das zeigt die aktuelle Prognose von election.de für die Erststimmen in den Wahlkreisen bei der Bundestagswahl. Demzufolge könnten mehr Direktmandate an die Union gehen, als je zuvor bei einer Wahl seit dem Zweiten Weltkrieg.

Insgesamt werden CDU/CSU laut der Prognose vom Sonntag den 17. September auf 247 Mandate kommen, die SPD nur noch auf 47 Direktmandate. «CDU und CSU müssen im Moment in weiten Teilen Deutschlands keine Konkurrenz fürchten» resümiert Matthias Moehl von election.de.

Sein Modell errechnet unter Berücksichtigung der aktuellen Umfragen und historischer Daten, wie den Ergebnissen bei den vergangenen Wahlen, welche Partei die Direktmandate in den 299 Wahlkreisen Deutschlands voraussichtlich erringen wird. Dabei werden auch weitere Faktoren wie das Stimmensplitting zwischen Erst- und Zweitstimme einbezogen, aber auch das Urteil der Politikwissenschaftler zu den Chancen der Kandidaten spielt eine Rolle. «Unsere politische Einschätzung und Erfahrung fließt in das Modell ein, erklärt Moehl das System der Wahlforscher. Ihr Modell weist auch die Unsicherheit der Prognose aus.

In 138 Wahlkreisen ist laut Moehl auch nach Berücksichtigung von statistischen Schwankungen wie der Fehlertoleranz von Umfragen ein Direktmandat für die Union sicher. 62 Wahlkreise gehen demnach »wahrscheinlich« an die Union und in 47 Wahlkreisen ist der Wahlausgang zwar »noch offen« aber es gibt eine Tendenz. Die SPD kommt demnach nur auf vier »sichere« Direktmandate, in 16 Wahlkreisen wird ihr Kandidat »wahrscheinlich« direkt in den Bundestag einziehen, und in 27 Wahlkreisen hat die Partei einen »Vorsprung«.

Vor allem in Berlin sei das Rennen in den Wahlkreisen interessant. Hier rechnet Moehls Modell derzeit damit, dass die Wahlkreise 84 und 86 in Treptow-Köpenick und Lichtenberg an die Linkspartei gehen, während im Wahlkreis 83 in Friedrichshain-Kreuzberg Prenzlauer Berg Ost und im Wahlkreis 76 in Pankow der Wahlausgang offen ist. Im ersten Fall zugunsten der Grünen, im zweiten Fall zugunsten der Linkspartei. Nur knapp vorne liegt hingegen die CDU in Spandau und in Wilmersdorf. In Berlin-Mitte und in Neukölln dagegen müssen die Sozialdemokraten um das Direktmandat kämpfen.

Die Daten zeigen aber insgesamt: In vielen Teilen Deutschlands gibt es nicht viel politische Bewegung. Nur ein Fünftel der Wahlkreise sei »wirklich umkämpft«, resümiert Moehl. Der Grund dafür ist die derzeitige Schwäche der SPD, sie ist nicht mehr der »große Gegenspieler« der Union, wie sie es historisch war. Wenn die Prognose von Moehl eintrifft dann wird die SPD so wenige Direktmandate erhalten, wie noch nie bei einer Bundestagswahl seit 1957.

Nur im Ruhrgebiet, in der einstigen »Herzkammer« der SPD und in Hamburg und um Hannover werden die Sozialdemokraten mit relativer Sicherheit noch eine Mehrheit der Erststimmen in den Wahlkreisen erreichen.

Briefwahl, Überhangmandate, Zweitstimme? So funktioniert die Bundestagswahl

Die aktuelle Direktmandatprognose setzt dabei einen Trend der letzten Jahre fort: Schon 2009 gewannen die Sozialdemokraten deutschlandweit in nur 64 Wahlkreisen, während die Union 218 Direktmandate errang. Bei der letzten Bundestagswahl erreichten CDU und CSU zusammen dann schon 236 Direktmandate, während die SPD nur 58 Wahlkreise für sich entscheiden konnte. Nun könnte es also noch schlimmer kommen.

Es könnte, denn natürlich ist das Modell nur ein Modell und hat wie alle anderen statistischen Prognosen eine gewisse Ungenauigkeit beziehungsweise einen Fehler. Doch in der Vergangenheit war die Schätzung relativ zuverlässig. Bei der Bundestagswahl 2013 prognostizierten Moehl und sein Team nur in 20 Wahlkreisen den falschen Gewinner. 19 davon lagen in der schwächsten Kategorie »Vorsprung«. In seinen anderen Prognosekategorien »wahrscheinlich« und »sicher« jedoch lag die Genauigkeit der Vorhersagen bei 99 bzw. 100 Prozent.

»In Deutschland schauen alle nur auf die Zweitstimmen«, sagt Wahlforscher Moehl. Dass das der Fall ist und dass es in Deutschland kaum Modelle zum Wahlausgang in den Wahlkreisen gibt, liegt zum einen am proportionalen Wahlrecht, das in Deutschland über die Zweitstimme auch kleineren Parteien eine anteilsmäßige Vertretung im Parlament garantiert. Doch ein weiterer Grund ist auch, dass es nur wenige Umfragen auf Wahlkreisebene gibt, oft mit ungenügenden Stichproben.

Deswegen behilft sich der Diplom-Informatiker Moehl mit einer Kombination verschiedener Faktoren und Daten. In der Vergangenheit hat er seine Prognosen auch an Parteien oder Parteigliederungen und große Medienhäuser verkauft, aktuell nutzen mehrere Parteien Wahlkreisanalysen seines Teams.

Seine Erststimmenprognose zeigt eine Republik auf dem Weg in ein »Eineinhalb-Parteien-System« in dem die Union in den Wahlkreisen mit mehreren kleinen Parteien konkurriert. Dafür jedoch sei das Wahlsystem jedoch »nicht gemacht«.

Das Ergebnis dieser zunehmenden Schieflage könnte dieses Jahr sein, dass die Union bei »einem historisch schwachen Zweitstimmenergebnis vermutlich fünf Sechstel der Mandate bekommen wird«, kritisiert Moehl. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Union bis 1998 immer mehr als 40 Prozent der Zweitstimmen bekommen, laut aktuellen Umfragen werden es am nächsten Sonntag zwischen 36 und 38 Prozent sein. Nur zu Zeiten der rot-grünen Koalition und 2005 waren es weniger als 40 Prozent. Trotzdem erhielt die Union weniger Direktmandate, weil der »Gegenspieler SPD« etwa 2005 noch im gleichen Umfang Wahlkreise gewann, wie die Union – 145 zu 151, um genau zu sein.

Durch die besonders hohe Zahl an Direktmandaten im Vergleich zum voraussichtlichen Zweitstimmenergebnis wird es noch zu einer weiteren problematischen Entwicklung kommen: Der Bundestag wird immer größer. Zum einen wird die Union vermutlich 28 Überhangmandate bekommen (1x SPD). Dadurch wird es 39 Ausgleichsmandate geben, um die Benachteiligung kleinerer Parteien durch die Direktmandate auszugleichen. Der Bundestag wird dann mit insgesamt vermutlich 666 Abgeordneten so groß sein wie noch nie.

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