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Mieter in prekärer Lage
DGB-Studie zu Wohnverhältnissen zeigt: Das Einkommen ist der entscheidende Faktor
Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) läuten in Bezug auf die Wohnungspolitik die Alarmglocken: »Noch mal vier Jahre so wie jetzt würden eine dramatische Verschärfung bedeuten«, warnte Stefan Körzell vom DGB-Bundesvorstand bei einem wohnungspolitischen Workshop am Montagnachmittag in Berlin.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand eine von der Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegebene Untersuchung zur Entwicklung des Wohnungsmarktes in den 77 deutschen Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern. In fast allen Großstädten ist demnach eine mehr oder weniger deutliche Steigerung des Anteils der Wohnkosten an den verfügbaren Nettoeinkünften zu verzeichnen. Für 40 Prozent aller Mieterhaushalte liegt dieser Anteil bei über 30 Prozent, wobei nur die Bruttokaltmieten einbezogen wurden und die Heizkosten noch hinzukommen. Spitzenreiter sind Neuss, Bremen, Bremerhaven und Köln mit Quoten von 49 bis 46 Prozent. Fast 20 Prozent aller untersuchten Haushalte müssen mehr als 40 Prozent ihrer Einkünfte für die Miete aufbringen.
Der Stadtsoziologe Andrej Holm, der für die Studie mitverantwortlich zeichnet, verwies auf die sozialen Desintegrationsprozesse, die mit dieser Entwicklung verbunden sind. Nicht nur in »Boomstädten« mit vergleichsweise hohen Durchschnittseinkommen, sondern auch in einigen strukturschwachen Gebieten gebe es für Gering- und Durchschnittsverdiener kaum noch angemessene Wohnungsangebote. Dadurch werde auch in den Peripherien der Innenstädte die Mietkostenentwicklung angeheizt. So wachse der Anteil der Haushalte, die nach Abzug der Mietkosten kaum mehr als die Regelsätze der Hartz-IV-Grundsicherung zur Verfügung haben. Diese Einkommensarmut beeinträchtige auch die Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe und die Chancen von Kindern und Jugendlichen auf gute Bildung. Noch dramatischer sei die Lage für Haushalte, deren Wohnkosten direkt von den Ämtern bis zu einer regional unterschiedlichen Obergrenze übernommen werden. So gab es in Berlin im Jahr 2005 noch rund 100 000 Wohnungsangebote für diesen Personenkreis. 2015 waren es weniger als 10 000. »Prekäre Wohnverhältnisse, Überbelegung und oft auch das Wohnen in bestimmten Stadtlagen gelten als Zeichen des Scheiterns, der Benachteiligung und der Ausgrenzung. Wohnen ist ein zentraler Indikator der sozialen Lage und ein Gradmesser der Ungleichheit«, so Holm.
Der Soziologe fordert »schnelles und vor allem umfassendes Handeln der Politik«. Der forcierte Neubau von geförderten, preisgebundenen Wohnungen und die Reaktivierung des gemeinnützigen Wohnungsbausektors seien dabei zentrale Instrumente, aber »wir müssen auch unbedingt etwas im Bestand tun«, so Holm. Zum einen müsse die bislang wirkungslose Mietpreisbremse »umfassend und ohne Ausnahmen gelten«, um den weiteren Anstieg der Mieten und somit auch der Mietspiegelwerte zu dämpfen. Auch über eine Abschaffung der Modernisierungsumlage und die Abbildung der tatsächlichen Wohnwertverbesserungen in den Ausstattungsmerkmalen im Mietspiegel müsse nachgedacht werden.
Vor allem verlangt Holm die verbindliche Einführung eines Mietpreisschutzes, der Erhöhungen an die Einkommensverhältnisse der Mieter koppelt und ab einer Haushaltsbelastung von 30 Prozent kappt. In der Studie heißt es dazu: »Das Einkommen ist der entscheidende Faktor der Wohnverhältnisse - Haushalte mit geringeren Einkommen leben in schlechterer Qualität, auf kleinerer Fläche und haben eine deutlich höhere Mietbelastung zu tragen. Einkommensungleichheiten werden so in den Wohnverhältnissen nicht nur reproduziert, sondern sogar noch verstärkt. Jeder Ansatz einer sozial orientierten Wohnungspolitik sollte daher an Instrumenten zur Gewährleistung von einkommensorientierten Mieten ansetzen.«
Stefan Körzell bezeichnete die Studie als »eindrucksvolle Bestätigung der Positionen und Forderungen des DGB«. Wohnen sei ein »zentraler Bestandteil der Lebenswelt«, Wohnungspolitik müsse daher »dauerhaft eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern sein«. Konkret fordert Körzell von der nächsten Bundesregierung deutlich höhere Investitionen in den Wohnungsbau. Pro Jahr müssten mindestens 100 000 neue Wohnungen im sozialen Wohnungsbau entstehen. Um die zu realisieren, sei in vielen Städten ein Programm zur Umwidmung langfristig leer stehender Büroflächen notwendig. Wer »wie die FDP und Teile der CDU die Wohnraumversorgung vollständig dem Markt überlassen will, gefährdet den sozialen Frieden und befördert die Spaltung der Gesellschaft«, so Körzell.
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