Begegnungen zwischen totaler Verzweiflung und großer Zuversicht
Robby lief dem Hurrikan immer hinterher und doch hat «Harvey» ihn zuletzt noch eins ausgewischt
«Hast Du geschummelt und bist ein Stück im Auto mitgefahren?», frage ich Robby scherzhaft, der Houston in Texas schneller erreicht hat, als es sein Plan vorsah. 18 Lauftage hatte er ursprünglich für die rund 800 Kilometer zwischen New Orleans und Houston vorgesehen, nach 14 war die Stadt erreicht. «Oder hat Dich die Tatsache, dass Du dort nun endlich das langersehnte eigene Auto kaufen kannst, beflügelt?» «Nichts von beiden», antwortet er belustigt, ich habe einfach nur einen etwas anderen Weg gewählt. Dadurch aber gewinne ich tatsächlich etwas Zeit, um das Fahrzeug zu kaufen, das mich nun hoffentlich den weiteren Weg sicher begleiten wird. Die Zeichen dafür stehen auf jeden Fall gut!« Und dann erzählt er, dass er bereits auf dem Weg in die texanische Stadt einen Anruf und die gute Nachricht vom dortigen deutschen Generalkonsulat erhalten habe, dass sein internationaler Führerschein eingetroffen sei. »Ich war total erleichtert und bedanke mich nochmals ganz herzlich bei der Kreisverwaltung in Naumburg, die das Dokument umgehend nach Texas geschickt haben. Denn ohne dieses könnte ich das Fahrzeug nicht kaufen.« Bis zum Ende der Woche soll das nun erledigt sein, und dann kann Robby endlich das über lange Zeit nervenaufreibende Kapitel abschließen.
Der Weg zwischen New Orleans und Houston war gezeichnet vom Hurrikan Harvey. »Überall an den Straßen liegen Möbel und Hausrat, es stinkt vor sich hin, es sind einfach furchtbare Bilder«, erzählt er. Er habe mit vielen Menschen, die ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, gesprochen und die meisten zwischen totaler Verzweiflung und großer Zuversicht erlebt. Denn obwohl viele nun am Rande des Existenzminimums leben müssen, sei die Hilfsbereitschaft untereinander groß. Es gebe viele Unternehmen und auch Privatpersonen, die großzügig Geld und andere Dinge zur Verfügung stellen, damit die Betroffenen möglichst schnell wieder auf die Beine kommen. Zum Beispiel stelle Walmart Gutscheine über ziemlich hohe Summen zur Verfügung, mit denen die Menschen Lebensmittel oder andere dringend benötigte Dinge einkaufen können. »Das hat mich schon sehr beeindruckt«, sagt Robby.
Ob er denn persönlich von Harvey betroffen gewesen sei?, interessiert mich. »Eigentlich nicht, der Hurrikan war immer ein wenig schneller als wir, so dass wir nur seine Auswirkungen mitbekommen haben. Einzige direkte Auswirkung auf uns war, dass wir in Houston nicht in das Hotel einchecken konnten, in dem uns die Hotelgruppe Omni Zimmer gesponsert hatte, denn auch dort hat sich Harvey ausgetobt, so dass es jetzt erst einmal saniert werden muss.«
Bis zum 29. September wird Robby noch in Houston bleiben, und dort neben dem Autokauf auch noch zwei Vorträge in der Deutsch-amerikanischen Industrie- und Handelskammer halten und sich ein wenig in der Region umsehen. Außerdem müssen Filme geschnitten, Fotos gesichtet, Notizen gemacht und Mails von Freunden und Fans beantwortet werden. Dazu sei immer zu wenig Zeit, sagt er. Und mal wieder richtig ausschlafen steht auch noch auf dem Programm: Denn der normale »Arbeitstag« beginnt um sieben Uhr und endet nie vor 23.30 Uhr. Am 24. September wird Robby seine Frau Bärbel zum Flughafen bringen. Ein paar Wochen lang hat sie ihn begleitet, das Mietfahrzeug gefahren und das Leben neben dem Lauf gemanagt. Nun will sie erst einmal wieder zu Hause nach dem Rechten sehen und vor allem die Enkelin persönlich begrüßen, die ja bekanntlich zur Welt kam, als Oma und Opa weit weg waren. »Darum beneide ich Bärbel schon ein bisschen«, erzählt Robby, »aber ich kann die Süße ja wenigstens ab und zu per Skype sehen. Das muss leider reichen, bis ich meine Mission erfüllt habe. Zu ihrem zweiten Geburtstag werde ich aber mit am Kaffeetisch sitzen.« Wenn Bärbel abgeflogen ist, bleibt Robby vier Tage allein zurück, bevor am 28. September sein neuer Chauffeur, Wegbegleiter und Alltagsmanager kommt - Ralf Keitz, Rentner aus Leipzig, der Robby bis Ende November begleiten wird. Wenn man es genau nimmt, kommt er auch als Botschafter, denn Houston und Leipzig sind seit 1993 Partnerstädte.
Gut 4000 Kilometer hat Robby inzwischen schon in den Füßen, was er auch in den Knochen und Muskeln spürt. Im Moment plagt ihn ein verhärteter und verklebter Muskel im Allerwertesten. Bis er Houston verlässt, will er das Problem aber »repariert« haben. Die Lockerungsübungen sind schmerzhaft, aber : »Ein Indianer kennt keinen Schmerz«, lacht er. Am 29.10. ruft wieder die Straße, bis dahin wird er es dem Spaßverderber schon zeigen. Dann führt ihn der Weg gut 580 Kilometer zu seinem nächsten Etappenziel Brownsville am Rio Grande im südlichsten Zipfel von Texas.
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