Überflüssige Stahlfusion
Überkapazitäten sind kein gutes Argument für den ThyssenKrupp-Tata-Deal
Immer wenn es ernst wird, fordern Politiker eine deutsch-französische Lösung à la Airbus. Oder sie wollen eine innerdeutsche Superfusion wie eine »Deutsche Warenhaus AG«. Während die Verhandlungen zwischen ThyssenKrupp und der indischen Tata Steel bereits liefen, hatten Politiker und Gewerkschafter über das »Handelsblatt« auch eine »Deutsche Stahl AG« als Alternative ins Spiel gebracht.
Dafür scheinen allerdings nur zwei Unternehmen in die engere Auswahl zu kommen. Doch Georgsmarienhütte bedient eher Marktnischen, und die Salzgitter AG hat bereits abgewunken. Die nunmehr geplante Hochzeit ThyssenKrupp/Tata könnte die deutlich kleinere Salzgitter allerdings mittelfristig in ihrem Bestand gefährden. Dies gilt auch für andere Stahl- und Hüttenwerke etwa in Brandenburg und im Saarland.
Für eine Stahl-Union ist »der Zug heute ohnehin abgefahren«, meint Heinz-J. Bontrup. Der Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik war vor seiner wissenschaftlichen Karriere lange Arbeitsdirektor bei einer Thyssen-Tochter in Bochum. Einst in der Stahlkrise der 1980er Jahre hatten die Alternativökonomen einen solchen Zusammenschluss gefordert. Doch damals gab es noch andere große westdeutsche Akteure wie Klöckner, Hoesch und Haniel, die längst Geschichte sind.
So etwas wie eine »Deutsche Stahl AG« hat es bislang nur einmal gegeben. Nachdem die Montanindustrie bis zur Überproduktionskrise Mitte der 1920er Jahre breit aufgestellt war, wurden mehrere Unternehmen zur Vereinigte Stahlwerke AG zusammengeschlossen, die später von den Hitlerfaschisten kontrolliert wurde. Die Alliierten zerschlugen das Monopol nach 1945. Einige Jahrzehnte spielten dann in der BRD zahlreiche namhafte Konzerne eine große Rolle. 1999 schlossen sich die verbliebenen Giganten im Ruhrgebiet, Krupp und Thyssen, zusammen.
Vor diesem Hintergrund hält Montanexperte Bontrup wenig von einer weiteren Stahlfusion. Politik und Gewerkschaften hätten aber vergleichsweise gute Möglichkeiten, den Tata-Ausverkauf zu verhindern. Zum einen sei die Montan-Mitbestimmung betroffen - was den Beschäftigen bei ThyssenKrupp eine starke Stellung verschafft. Einschreiten könnte auch der größte Einzelaktionär, die Krupp-Stiftung mit ihrer Vorsitzenden Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund. Vor allem sieht Bontrup die EU-Kommission als Wettbewerbswächter gefordert: »Die Fusion muss verboten werden.« Die negativen Auswirkungen auf den Stahlmarkt, auf Lieferanten und Abnehmer wie Autoindustrie und Maschinenbau seien zu groß, wenn ein zweiter europäischer Stahlriese entstehe.
ThyssenKrupp hat zudem eigenständig gute Chancen. Bei bestimmten Edelstahlen und Elektroblechen ist man Marktführer mit wenig Konkurrenz auf den maßgeblichen deutschen und westeuropäischen Märkten. Und die in den »Wahlpositionen« der Wirtschaftsvereinigung Stahl beklagten Überkapazitäten in anderen Bereichen sind ein Scheinriese: »Eine solche Überakkumulation war immer typisch für die Branche«, erklärt Bontrup. Stahl sei nun mal sehr kapitalintensiv - so kostet ein Hochofen um die fünf Milliarden Euro. Infolge der hohen Fixkosten fallen Unternehmen schnell in tiefrote Zahlen, wenn die Konjunktur schwächelt. Im nächsten Moment können schon wieder - wie es jetzt der Fall ist - fette Gewinne sprudeln. Daher versuchen alle Konzerne, Kapazitätsreserven vorrätig zu haben, wenn der Zyklus wieder anspringt.
Vor diesem Hintergrund könnten Beobachter recht behalten, die dem ThyssenKrupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger vorwerfen, Tausende Stahl-Jobs zu streichen, nur um eine hohe, zweistellige Eigenkapitalrendite für den Konzern zu erzielen. Die aktuellen sechs Prozent scheinen ihm nicht genug zu sein.
Anders als für hochwertigen Stahl scheint es für Kaufhäuser keinen nachhaltigen Bedarf mehr zu geben. Ein Drittel der verbliebenen 180 Warenhäuser steht durch veränderte Kaufgewohnheiten vor dem Aus. Ein ebenfalls von Politikern immer mal wieder diskutierter Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof zu einer »Deutschen Warenhaus AG« dürfte an diesem Verbraucherverhalten nichts ändern.
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