Da waren es nur noch 92

Mit Mario Mieruch verlässt ein weiterer AfD-Politiker die Bundestagsfraktion der Rechtsaußenpartei

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Mario Mieruch hatte am Mittwoch eine versteckte Botschaft für die Follower seiner Facebookseite. Der AfD-Politiker aus Nordrhein-Westfalen postete ein Foto. Darauf zu sehen: Ein blauer Himmel, Sonnenstrahlen und dazu ein bedeutungsschwerer Satz, wie von einem Kalenderblatt mit Motivationsprüchen: »Die Realität anzuerkennen, ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.«

Doch in diesem Fall wollte Mieruch nicht einfach nur eine Kalenderspruchweisheit verkünden, er hatte etwas wichtiges mitzuteilen: Nach Frauke Petry ist er der zweite Abgeordnete, der die neue AfD-Bundestagsfraktion verlässt, noch bevor die eigentliche inhaltliche Arbeit überhaupt losgegangen wäre. Wie die »Bild« berichtet, begründet Mieruch seinen Austritt mit der bis heute nicht erfolgten Abgrenzung der Partei vom völkisch-nationalistischen Flügel um den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke. Letzterer dürfte das gegen ihn laufende Ausschlussverfahren, wie von Beobachtern erwartet wurde, wohl ohne ernsthafte Konsequenzen überstehen. Wie der »MDR« via Twitter meldete, habe AfD-Sprecher Christian Lüth den Fraktionsaustritt inzwischen bestätigt. Besonders bitter für die Partei: Mieruch ist AfD-Gründungsmitglied.

Er sehe laut »Bild« in der AfD eine »Entwicklung, die viele in der Partei mit Sorge betrachten und von der sie schon viel zu lange hoffen, dass sie umkehrbar sei«. Ausschlaggebend für seine Entscheidung sei der Verlauf der Wahlen der Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion in der vergangenen Woche gewesen: »Auch wenn Höcke-Intimus Stefan Brandner im dritten Anlauf gegen Michael Espendiller unterlag, so wusste er doch in allen drei Wahlgängen fast die Hälfte der Fraktion hinter sich«.

Das Ergebnis dieser Fraktionskonstituierung offenbare so »ganz explizit die grundlegende innerparteiliche Trennlinie, welche bisher zuverlässiger Garant für Auseinandersetzungen war und auch bleiben wird«. Um den Wählerwillen »glaubhaft und integer« vertreten zu können, habe Mieruch sich entschlossen, »die weder in Köln noch jetzt in Berlin behandelte Frage über die Ausrichtung der Partei selbst zu treffen«, sagte Mieruch.

Die Worte des stellvertretenden Sprechers der AfD in Nordrhein-Westfalen mögen nach einer verbalen Abrenzung von rechtsradikalen Kräften in der Rechtsaußenpartei klingen, doch bei der eigenen Wortwahl unterschied sich Mieruch in der Vergangenheit selbst manchmal nur kaum von jenen, die er nun kritisiert und als Grund für seinen Austritt anführt.

So bezeichnete Mieruch Antifas auf seiner Facebookseite im September als »Faschisten« und »linke Schlägertrupps«, den Medien attestierte er, nachdem diese über Warnungen von Ökonomen vor der AfD berichteten: »Wer immer noch an die Unabhängigkeit und Objektivität der Presse glaubt, dem wünsche ich weiterhin guten Schlaf.« Überhaupt tut sich Mieruch – wie so viele andere in der AfD – mit der hiesigen Medienlandschaft regelmäßig schwer, spricht auch gerne vom »schwarzen Kanal«, wenn er über das ZDF redet.

Eine klare Haltung beweist Mieruch dagegen zur »Ehe für Alle«: Als diese im Juni vom Bundestag verabschiedet wird, postet er eine Grafik in Form einer Traueranzeige, in der es heißt: »In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von der deutschen Familien, deren grundgesetzlicher Schutz heute von der Mehrheit der ‘Volksvertreter’ im Deutschen Bundestag beerdigt wurde.«

Mieruch gilt als Unterstützer Petrys und deren Ehemann Marcus Pretzell, der die Partei ebenfalls verlassen hatte. Laut »Bild« kündigte er an, im Bundestag mit der ebenfalls fraktionslosen Ex-AfD-Chefin zusammenarbeiten zu wollen.

Der LINKE-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat drückte bei Twitter seine Freude über den Schwund bei der AfD aus. Er schrieb: »So kann es ruhig weitergehen«.

Personalquerelen gibt es zur Zeit auch im AfD-Landesverband Niedersachsen. Die AfD-Fraktion im Göttinger Kreistag schloss die Spitzenkandidatin der Partei für die Landtagswahl am 15. Oktober, Dana Guth, aus. mit Agenturen

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