Fraktionsklausur: Linke will AfD bei Wahlen zurückdrängen

Nach ihrem Comeback hat Die Linke künftig im Bundestag einigen Einfluss. Bei einer Klausur in Potsdam diskutierte sie über ihre Schwerpunkte

  • Verena Schmitt-Roschmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Treten weiter als Viererteam auf: Heidi Reichinnek (r) und Sören Pellmann (2.v.l.), Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, und die Parteivorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken
Treten weiter als Viererteam auf: Heidi Reichinnek (r) und Sören Pellmann (2.v.l.), Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, und die Parteivorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken

Nach ihrem Überraschungserfolg bei der Bundestagswahl sieht sich Die Linke in einer Schlüsselrolle. Denn ohne sie gibt es keine Zweidrittelmehrheit im Parlament für Verfassungsänderungen oder Richterwahlen. »Da erwarten wir, dass mit uns auf Augenhöhe verhandelt wird«, sagte Parteichefin Ines Schwerdtner am Freitag nach einer Klausurtagung in Potsdam. Ihre Bedingung für Stimmen der Linken: »Es muss eine schriftliche Vereinbarung geben, dass es keine Mehrheiten mit der AfD geben wird.«

Die Ansage zeigt: Die Linke könnte im Bund künftig so viel Einfluss haben wie selten zuvor. Ihr erklärtes Ziel ist die Eindämmung der AfD, auch mit Blick auf die fünf Landtagswahlen im kommenden Jahr. Speziell will sich die Partei um Sachsen-Anhalt kümmern. Die erwartete schwarz-rote Koalition will sie mit sozialen Forderungen vor sich hertreiben: Mieten und Preise deckeln, Reiche besteuern.

Auf der dreitägigen Klausur beschloss die Fraktion ein Arbeitsprogramm für die ersten 100 Tage der neuen Legislaturperiode. Geplant sind Gesetzentwürfe und Anträge unter anderem zu den Themen Vermögensteuer und Mehrwehrsteuer sowie ein eigener Kita-Gipfel.

»Wir werden das Thema Wohnen immer und immer wieder auf die Tagesordnung setzen«, betonte Fraktionschefin Heidi Reichinnek. Geplant sind auch ein Gesetzentwurf gegen Wuchermieten und Anträge, um die Mieten einzufrieren und in einem zweiten Schritt zu senken. Die in der Partei entwickelte Mietwucher-App soll ausgebaut werden. Seit Freitag nimmt auch Potsdam an dem Angebot zur Mietüberprüfung teil, das zuvor acht Städte umfasste.

Noch vor dem Sommer will Die Linke einen Mietengipfel veranstalten und dort ihr Konzept für einen bundesweiten Mietendeckel vorstellen. Das Thema Wohnen werde weder im gerade beschlossenen milliardenschweren Sondervermögen genannt, noch nehme es in den Koalitionsverhandlungen gebührenden Raum ein, kritisierte Reichinnek.

Ko-Fraktionschef Sören Pellmann nannte mit der Forderung nach Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel ein weiteres Kernprojekt der Fraktion. So will Die Linke in den kommenden Monaten ein Antrag zur Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Bus und Bahn und Hygieneartikel in den Bundestag einbringen. Die Fraktion beschloss laut Pellmann zudem einstimmig, weiter für eine Abschaffung des Abtreibungs-Paragrafen 218 zu kämpfen.

Zunächst muss sich die neue Fraktion mit ihren 64 Mitgliedern indes selbst finden. Konfliktpotenzial gibt es, vor allem bei außenpolitischen Fragen. Trotzdem gaben sich die Partei- und Fraktionsspitzen in Potsdam außerordentlich entspannt. »Es hat etwas von Klassenfahrt«, sagte Pellmann über das Treffen.

Mitte 2024 hatte Die Linke 52 127 Mitglieder und stand in Umfragen bundesweit bei etwa drei Prozent. Dann übernahm Schwerdtner im Oktober mit Jan van Aken die Parteispitze. Themen wie Mieten und Preise, Zehntausende Haustürgespräche mit Bürgern und eine starke Mobilisierung gegen rechts verhalfen der Partei bei der Bundestagswahl schließlich zu 8,8 Prozent der Stimmen. Heute hat sie nach eigenen Angaben 110 300 Mitglieder.

Von den 64 Linke-Bundestagsabgeordneten hatten nur 13 schon in der vorherigen Legislatur ein Mandat, ein paar weitere waren früher schon mal im Bundestag. Die Linke hat die drei jüngsten Volksvertreter und mit 42,2 Jahren den niedrigsten Altersschnitt aller Fraktionen. Viele Neue, viele ohne Parlamentserfahrung, wie bindet man die zusammen? »Das ist eine große Herausforderung«, sagt der Chemnitzer Parteienforscher Benjamin Höhne.

Der Schuldenbremsen-Streit

Ganz ohne Rumpeln ging es in den ersten Wochen seit der Bundestagswahl nicht. Die Partei- und Fraktionsführung hatte sich im Streit über das Schuldenpaket für Verteidigung und Infrastruktur rasch festgelegt: nicht mehr in der alten Legislatur, lieber in der neuen Wahlperiode eine umfassende Reform der Schuldenbremse. Doch die Landesregierungen mit Beteiligung der Linken in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern hielten sich nicht daran. Im Bundesrat stimmten sie zu.

Das hätte sie sich anders gewünscht, sagte die amtierende Ko-Fraktionschefin Heidi Reichinnek später. Aber sie könne auch verstehen, dass die Länder die ihnen zugedachten Mittel aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen von 500 Milliarden Euro dringend bräuchten.

Klärungsbedarf in der Außenpolitik

Die Linke-Spitze kritisiert die Schuldenpläne auch inhaltlich: viel zu viel Geld für Rüstung. Aber wie viel Verteidigungskapazitäten die Partei mitträgt und wie sie sich zu wichtigen außenpolitischen Fragen positioniert, bleibt Debattenstoff.

Mit Blick auf den Gaza-Krieg sorgte die Abgeordnete Cansın Köktürk diese Woche für mediale Aufregung, als sie im Bundestag ein kleines Palästinensertuch trug. Reichinnek stellte sich ausdrücklich hinter ihre Genossin, »weil die Solidarität mit Palästina genauso wie die Solidarität mit Israel natürlich Kern einer linken Politik ist«. Doch die Bandbreite in der Partei ist erheblich.

Ähnlich ist es mit Blick auf die Ukraine. Anders als Parteichef van Aken hat sich zum Beispiel sein Genosse Bodo Ramelow für Waffenhilfen an das von Russland angegriffene Land ausgesprochen. dpa/nd

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.