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Lehrpfad mit Fettnäpfen

Der Volksschauspieler Rolf Herricht wäre 90

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Volk. Schönes Wort - weil es reizt. Es jagt Schauer über die Haut - oder in die Flucht. Volk ist Leitbild und Lümmel. Wo sich dieses Wort andockt, schwillt Kleines gern an und lügt sich groß - wie etwa Volksparteien. Volk, das ist freilich auch Ehrlichkeit: Volksbäder zum Beispiel, sie schmutzen unverblümt; und Volkssportler - wer sich so nennt, zeigt offen an, dass er trotz Körpereinsatz Biertrinker bleibt. Aber kommen wir zum Kern: Volksschauspieler. Klingt nach sofortigem Niveau-Notruf. Schenkelklatschen statt Kopfarbeit. Solche Typen wie Heidi Kabel oder Willy Millowitsch, Henry Vahl oder Gerd E. Schäfer. Oder eben: Rolf Herricht. Humor - dieses große, großartige Bisschen vom Frieden.

Er war einer der populärsten Schauspieler der DDR. Der Unglücksrabe, der im Käfig seiner Begrenztheiten doch zum König Vogelfrei wird. Oder der Pechvogel auf seinen Lehrpfaden von Fettnapf zu Fettnapf. Die Opferrolle vorwärts in den stehenden Beifall. Eines Millionenpublikums! In DEFA-Filmen wie »Geliebte weiße Maus«, »Der Baulöwe«, »Der Reserveheld«, oder »Der Mann, der nach der Oma kam«. Seine Sketche mit Hans-Joachim Preil sind deutsche Bühnen- und Fernsehgeschichte, noch heute Glanzpunkte in der endlosen TV-Wiederholungsschleife. Herricht nahm Preil bei jedem Wort, und im wachsenden Missverständnis offenbarte sich der Kern allen Witzes: Im Komischen darf sich unsere eingefleischte Unbarmherzigkeit in den Adel einer erzählbaren Kultur schwingen.

Salzwedel und Stendal, Staßfurt, Güstrow und Frankfurt an der Oder - die Namen dieser Städte, in denen der Magdeburger Herricht, geboren 1927, Theater spielte - sie erzählen das Wesen der Existenz: Provinz. Provinz, das ist die Welt, die sich mit Grau tarnt, um die Blender bloßzustellen. Herrichts Typen betrieben das leutselig, lauter und liebenswert, schüchtern und arglos. In den Possen und Schwänken des DDR-Fernsehens gehörte er zum festen Personenbestand, er sang im Friedrichstadtpalast, in der Operette, stand neben Helga Hahnemann beim »Kessel Buntes« vor der Kamera. In »Hände hoch oder ich schieße« (Regie: Hans-Joachim Kasprzik) spielte er einen Kriminalleutnant - dieser Film von 1966 gehörte zu den verbotenen Streifen nach dem 11. ZK-Plenum der SED. Herricht als DDR-Kriminalist, der sich zu Interpol nach London träumt, weil die Zustände im eigenen Land so unerträglich harmonisch und moralisch sind.

Herricht, das war the Weh of Life im Lichte der schönsten Gerechtigkeit: Der, dem alles misslingt, stellt die Welt der anderen auf den Kopf, mischt in bester Tradition der Anarcho-Komödie die starr behaupteten Gesellschaftsnormen wieder auf. Sieg des Lebens unterm Schwung des Nonsensenmannes. Der Tod schließlich als fieser Eindringling in die Spielpläne: Rolf Herricht starb auf der Bühne, im August 1981, am Ende einer Aufführung im Berliner Metropol-Theater. An diesem Donnerstag wäre er 90 geworden.

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