Kongress berät über Strategien gegen Aids

Am Wochenende tauschen sich ExpertInnen darüber aus, wie die lebensgefährliche Epidemie beendet werden kann

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin ist die Stadt mit den meisten HIV-Neuinfektionen in Deutschland. 430 pro Jahr sind es laut Robert-Koch-Institut, also mehr als eine pro Tag. Aus diesem Grund ist Berlin vor einem Jahr dem weltweiten Städtenetzwerk »Fast-Track-Cities Initiative to End Aids« beigetreten. An dem 2014 gegründeten Verbund beteiligen sich international mehr als 70 Städte. Ziel ist, die Aids-Epidemie bis zum Jahr 2030 auszumerzen. Die beteiligten Städte haben zugesagt, besonders intensive Maßnahmen gegen HIV und Aids zu ergreifen sowie der Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV entgegenzuwirken.

Wie das gelingen kann, soll an diesem Wochenende auf dem Kongress »HIV im Dialog« beraten werden. Unter dem Motto »Fast-Track City Berlin: HIV verhindern - Aids beenden - Stigma entsorgen« treffen auf dem Kongress Betroffene sowie Fachleute aus Medizin, Selbsthilfe und Prävention aufeinander, um Strategien zu entwickeln, wie die Ziele der Fast-Track-Cities-Initiative erreicht werden können.

Neben dem Ziel, die Zahl der Neuinfektionen deutlich zu senken, soll bis zum Jahr 2020 das Etappenziel 90-90-90 erreicht sein: 90 Prozent der Menschen mit HIV sollen bis dahin von ihrer Infektion wissen, 90 Prozent dieser Menschen eine antiretrovirale Therapie erhalten und bei 90 Prozent der Behandelten soll nachhaltig eine Unterdrückung der Viren stattfinden, so dass HIV im Blut nicht mehr nachweisbar ist.

Diese Ziele sind längst nicht erreicht, Berlin sei dabei jedoch auf einem guten Weg, sagt Dilek Kolat (SPD), Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, bei der Vorstellung des Kongresses am Donnerstag. »Bei dem ersten 90 Prozent-Ziel hat Berlin einen Zielerreichungsgrad von 89 Prozent. Das heißt, dass noch 150 Menschen ihren HIV-positiven Status kennen müssten, damit wir die 90 Prozent erreichen.« Das klinge erst einmal wenig, sei jedoch angesichts der Zahl der Neuinfizierten durchaus ein ambitioniertes Vorhaben. Hinsichtlich des zweiten Ziels ist Berlin von den 90 Prozent etwas weiter entfernt: Lediglich 85 Prozent der Infizierten befinden sich in Behandlung. Das letzte Etappenziel hat Berlin hingegen schon erreicht: 93 Prozent derjenigen, die in Behandlung sind, bleiben unter der Nachweisgrenze von HIV.

Die Strategie des Landes Berlin sei klar auf eine Prävention ausgerichtet, sagt Kolat. Die beste Methode dafür sei nach wie vor die Benutzung von Kondomen. Insbesondere da in Berlin auch andere sexuell übertragbare Krankheiten als HIV zunehmen. Im aktuellen Haushalt seien für das Gesundheitsprogramm für sexuell übertragbare Krankheiten, auch HIV und Aids, insgesamt über 2,9 Millionen Euro vorgesehen. Neben Kondomen sei vor allem das Thema Prophylaxe zentral.

Besonders wichtig ist dabei die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP). Diese ist eine Vorsorge vor einem Risiko-Kontakt, bei der HIV-negative Menschen HIV-Medikamente einnehmen, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. Die Prophylaxe PrEP ist erst seit vergangenem Jahr in Deutschland zugelassen und wird derzeit noch nicht von den Krankenkassen finanziert. Die Kosten müssen also von den Betroffenen selbst getragen werden, konnten jedoch in den letzten Monaten reduziert werden. Ab diesem Monat ist PrEP für rund 50 Euro für 28 Tabletten in einigen ausgewählten Apotheken in sieben deutschen Städten erhältlich, darunter auch in Berlin.

»Wir werden PrEP in unsere Strategie einbauen müssen, um noch mehr Infektionen zu vermeiden«, ist auch Kolat überzeugt. »Da begrüße ich es sehr, dass die Kosten inzwischen gesenkt worden sind.« Damit in Zukunft noch mehr Apotheken die HIV-Prophylaxe anbieten können, seien jedoch zunächst mehr Schulungen nötig, um eine adäquate Beratung durch die ApothekerInnen zu gewährleisten, betont Claudia Neuhaus von einer der beiden teilnehmenden Berliner Apotheken.

Ein weiterer Baustein der Strategie sei, dass diejenigen, die infiziert sind, darüber auch Bescheid wissen. Hier gehe es vor allem um das Thema testen. »Wir haben im Berliner Haushalt die Mittel für vier Projekte abgesichert, die niedrigschwellig das Selbsttesten anbieten.« Im aktuellen Haushalt seien dafür rund 500 000 Euro vorgesehen. Insgesamt seien für die Strategie erstmals Haushaltsgelder in Höhe von 230 000 Euro geplant. Anfang 2018 soll die endgültige Strategie vorgestellt werden.

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