IWF warnt vor zu hohen Schulden

Finanz- und Steuerthemen werden die Jahrestagung des Währungsfonds dominieren

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Weltwirtschaft brummt wie lange nicht. Dies ist die Kernaussage der globalen Konjunkturprognose, die der Internationale Währungsfonds (IWF) vor seiner am Freitag beginnenden Jahrestagung in Washington veröffentlicht hat. Der IWF sagt eine breit aufgestellte Wachstumsbeschleunigung voraus. In diesem Jahr wird die Weltwirtschaft laut des »World Economic Outlook« um 3,6 Prozent und 2018 um 3,7 Prozent wachsen. IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld meint, gegenüber 2016 habe sich die Lage stark verbessert. Abgesehen vom Mittleren Osten erreiche der Aufschwung nun alle Regionen.

So erwartet der Währungsfonds für Deutschland einen Anstieg der Wirtschaftsleistung von 2,0 Prozent in diesem und 1,8 Prozent im kommenden Jahr. Auch die Bundesregierung erhöhte am Donnerstag ihre Prognose für das laufende Jahr von bisher 1,5 auf 2,0 Prozent. Für 2018 unterstellt man 1,9 Prozent Wachstum statt 1,6 Prozent wie bisher.

Mit dem weltweiten Aufschwung hat sich auch die Stabilität der Finanzmärkte deutlich verbessert. Doch auf mittlere Sicht steigen die Risiken, warnt der IWF in seinem Bericht zur globalen Finanzmarktstabilität. »Wachstum ist ein Risiko«, schreiben die Autoren. Gefahren bergen demnach die lockere Geldpolitik der großen Notenbanken wie der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie die günstigen Bedingungen für Kredite. Diese hätten zwar den Aufschwung beflügelt, meint der IWF, aber man dürfe nicht zu weit gehen. Das billige Geld auf Pump veranlasse Investoren und Manager, auf ihrer Jagd nach Profiten höhere Risiken einzugehen. So steigen die Aktienkurse an den Börsen in immer neue Rekordhöhen.

Gefahren für die Finanzmarktstabilität schlummern auch in Unternehmen und privaten Haushalten. Deren Verschuldung sei mittlerweile noch höher als vor der Finanzkrise, warnt der IWF. Das Risiko: Zu schnell steigende Zinsen könnten das Kartenhaus aus unzähligen Krediten wie 2007 zum Einsturz bringen. Damals platzte eine Immobilienblase in den USA und löste eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise aus.

Die IWF-Jahrestagung in Washington wird an diesem Wochenende ein Treffpunkt sein für Tausende Entscheidungsträger aus Notenbanken, Wirtschaft und Politik und solchen, die sich dafür halten. So flog selbst der Senator des doch recht überschaubaren Stadtstaates Hamburg, Peter Tschentscher, in die Hauptstadt der USA.

Am Rande des Gipfels werden Europa und die USA versuchen, endlich ihren Streit um neue Regeln für Banken beizulegen. Seit über einem Jahr sind die Fronten im federführenden Basler Ausschuss für Bankenaufsicht verhärtet. 70 oder 75 Prozent? Darauf konnten sich die 27 wichtigsten nationalen Notenbanken und die EZB bislang nicht einigen. Dabei sind die fünf Prozentpunkte keineswegs Kleinkram. Die Amerikaner wollen, dass die bankinternen Risikomodelle mindestens 75 Prozent des strengen Standardansatzes »Basel III« entsprechen. Die Europäer wollen dagegen den Banken weit mehr Spielraum lassen.

Hinter diesem Streit stehen wettbewerbspolitische Interessen. Strengere Sicherheitsregeln würden die überwiegend kreditfinanzierte Wirtschaft in Europa deutlich härter treffen als die US-amerikanische. US-Konzerne finanzieren sich stärker über die Börsen und Kapitalmärkte. Sollte es zu keinem Kompromiss kommen, drohen international unterschiedliche Aufsichtsregeln. Diese könnten Großbanken jedoch leicht umgehen.

Ein weiteres Thema auf der diesjährigen IWF-Tagung wird die globale Verteilung des produzierten Reichtums sein. Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas, Indiens und weiterer Schwellenländer hat die Ungleichheit zwischen den Ländern zwar verringert. Parallel dazu ist die Ungleichheit innerhalb zahlreicher Staaten aber gestiegen.

In den Industrieländern hat die Steuerpolitik zu dieser Entwicklung beigetragen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden in vielen Ländern die Steuersätze für höhere Einkommen gesenkt. In den 35 wohlhabenden Industriestaaten fiel der durchschnittliche Spitzensteuersatz seit 1981 von 62 auf 35 Prozent, heißt es im diesjährigen »Fiscal Monitor«, dem dritten wichtigen Dokument, das in dieser Woche vom Internationalen Währungsfonds veröffentlicht wurde.

In Deutschland und Frankreich erfolgte die Absenkung des Spitzensteuersatzes vergleichsweise moderat, besonders stark war sie dagegen in Japan und den Vereinigten Staaten. Der ehemalige US-Zentralbanker Henry Wallich begründete dies einmal mit seinem Ausspruch: »Wachstum ist ein Ersatz für Gerechtigkeit.« Infolgedessen liege das aktuelle Besteuerungsniveau in den reichen Ländern unterhalb der »optimalen Besteuerung«, so die IWF-Experten. Das schwäche das Wachstum und gefährde die Stabilität der Wirtschaft.

Vor diesem Hintergrund hat Chefvolkswirt Obstfeld indirekt die Steuersenkungspläne von US-Präsident Donald Trump kritisiert. Der US-Ökonom bezeichnete die Vereinigten Staaten als ein Land, das nicht zu der Erhöhung der weltweiten Wachstumsprognose beitrage. Daraufhin warf der Haushaltschef des Weißen Hauses dem IWF vor, Trumps Steuerpläne zu torpedieren. »Sie sind heftig daran interessiert, dass es nicht klappt«, sagte Mick Mulvaney der »Financial Times«. Damit könnte er recht haben.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -