Roadtrip in eine Utopie

»The Island Funeral« beim Asian Film Festival

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 4 Min.

Drei junge Menschen aus Bangkok sind in ihrem alten Auto auf dem Weg in die südthailändische Provinz Pattani. Im Radio laufen Nachrichten über Anschläge auf ein Einkaufszentrum. »Ist es sicher dort, wo wir hinfahren?«, fragt Toy, der auf der Rückbank des Autos sitzt. »Ich denke schon«, antwortet Laila.

Anlass für den Roadtrip ist der Besuch bei einer Tante von Laila und ihrem Bruder Zugood. Dessen Freund Toy begleitet die Geschwister in den muslimisch geprägten Teil des Landes. Er ist im Gegensatz zu Laila und Zugood selbst kein Muslim und würde die südlichen Regionen daher lieber meiden. Auch die moderne Muslima Laila ist sich nicht sicher, ob sie es ohne Kopftuch nach Pattani wagen soll.

Pimpaka Towira, eine der wenigen bekannten Regisseurinnen Thailands, begann das Skript zu »The Island Funeral« bereits 2004. Zu dieser Zeit eskalierte der Konflikt zwischen islamitischen Gruppen und der Zentralregierung im Süden Thailands. In den Provinzen Pattani, Yala, Songhkla und Satun lebt eine Bevölkerungsmehrheit von fast zwei Millionen Malaien. Diese sind, im Gegensatz zur buddhistischen Mehrheit der thailändischen Bevölkerung, größtenteils muslimisch. Seit 2004 führen islamistische Gruppen aus der Region einen gewaltsamen Kampf gegen die Zentralregierung. Sie fordern die Wiedererrichtung eines unabhängigen islamischen Staats, des Sultanats Pattani, oder die Angliederung an das angrenzende Malaysia.

Seit 2005 wurde der verhängte Ausnahmezustand in der Region kontinuierlich verlängert - was den thailändischen Sicherheitskräften erlaubt, mit aller Härte gegen die Separatisten vorzugehen. Unzählige Anschläge auf öffentliche Einrichtungen forderten vor allem zivile Opfer. Nach Angaben der zivilgesellschaftlichen Organisation »Deep South Watch« gab es zwischen 2004 und 2015 in der Region mehr als 6000 Tote.

Dieses Klima der Angst fängt Pimpaka Towira über die gesamte Länge des Films ein. Die unsicheren Gespräche der Protagonisten über mögliche Gefahren, das Misstrauen gegenüber jedem Fremden, besonders des ängstlichen Toy, vermitteln dem Zuschauenden ein konstantes Unbehagen. Manche Szenen, in denen die drei auf dunklen Landstraßen fahren, von außen durch die regennasse Windschutzscheibe gefilmt, erinnern an Horrorstreifen nach der Formel »Jugendliche allein im Wald«. Doch man wartet vergeblich auf den Meuchelmörder, die Szenen fließen ohne Schreckmomente weiter und ineinander über. Es passiert nichts Schlimmes. Überhaupt verzichtet Towira auf jegliche Bilder der Gewalt. Diese könne man sich auf Youtube ansehen, sagte die Regisseurin am Donnerstag im Ballhaus Naunynstraße in Kreuzberg. Gewalt solle aber nicht die Botschaft des Films sein.

Stattdessen begleiten wir die Freunde auf ihrem Weg in das Dorf Al Kaf. Dort soll die Tante auf sie warten. Eine Figur, die immer mysteriöser wird: Über das Handy ist sie nicht zu erreichen, doch organisiert sie auf geheimnisvolle Weise die Ankunft Lailas und ihrer Begleitung. Irgendwann müssen sie ihr Auto am Straßenrand stehenlassen und zu Fuß durch den Dschungel Richtung Dorf laufen. Stattdessen gelangen sie an ein Ufer, wo schon seit gestern ein Boot auf die drei Freunde wartet. Es soll sie auf die Insel bringen, auf der die Tante lebt.

In der zweiten Filmhälfte werden die Szenen deutlich länger und kommen fast ohne Dialoge aus. Der Film erinnert nun an eine mystische Abenteuergeschichte: Auf der Insel warten in der Dunkelheit stumme Bewohner mit brennenden Fackeln. Wortlos folgen Laila, Zugood und Toy einer Art Prozession, bei der eine Leiche über die Insel bis zu einem Sarg gebracht wird. Daneben schälen Frauen Bananen.

Im Haus der Tante flackert wegen der schlechten Stromversorgung das Licht, als diese von der Insel erzählt, auf der sie lebt. Die Insel ist ein utopischer Ort, ein Refugium vor der Gewalt. Die Bewohner sehen sich außerhalb des Konflikts auf dem Festland, in dem sie sich nicht auf einer der Seiten positionieren. Laila und die Tante, die wie die weise Zauberin aus einem Märchen wirkt, führen ein philosophisches Gespräch über die Bedeutung der Insel und der Religion. »Gehört dieser Ort noch zu Thailand?«, fragt Laila. »Ja und nein«, antwortet die Tante. »Aber ist das wichtig?«

Inzwischen ist jedoch auch die Insel durch den Konflikt bedroht: Das Militär vermutet, dass die Bewohner mutmaßliche Terroristen dort verstecken. Fast beiläufig sagt die Tante im Gespräch mit Laila schließlich den für den Film vielleicht zentralsten Satz über gewaltsame religiös fundierte Konflikte: »Die Menschen haben vergessen, dass man man mit und ohne Religion überleben kann.«

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