Angststarre Kaninchen
Margaret Atwood sprach in ihrer Friedenspreisrede über die politische Weltlage
Die neue Trägerin des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, Margret Atwood, hat sich kritisch mit dem Einzug der AfD in den Bundestag auseinandergesetzt. Bislang sei die Gruft des Rechtspopulismus in Deutschland für verschlossen gehalten worden, sagte die Kanadierin am Sonntag in ihrer Dankesrede in der Frankfurter Paulskirche. »Doch irgendjemand hatte den Schlüssel und hat sie geöffnet.« Nun stellten sich viele die Frage, was für ein Ungeheuer geboren werde.
Atwood sagte, derzeit sei »eine seltsame historische Zeit«, in der ein mächtiger Wind blase und der Boden unter den Füßen wanke. »Wir wissen auch nicht mehr so genau, wer wir sind.« Dabei bezog sie sich vor allem auf die Situation in den USA nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten, auf den Brexit Großbritanniens, aber auch auf die Lage in Deutschland durch das Erstarken der AfD.
Die Verleihung des Friedenspreises an die als wichtigste kanadische Autorin geltende Schriftstellerin, Essayistin und Dichterin fand vor rund tausend Gästen statt. Die Lage der Welt beschrieb die 77-jährige Atwood in einer Fabel mit einer Geschichte vom Wolf, der die Zivilgesellschaft abschaffe, und mit Kaninchen, die vor Verwirrung und Angst erstarrten. Die Bürger jedes Landes müssten sich die Frage stellen, in welcher Welt sie leben wollen.
Ironisch sagte die Autorin, sie erwarte nun von den Wölfen in den sozialen Netzwerken böse Kommentare. Es sei aber nicht überraschend, dass das Internet auch so schlechte Seiten wie Hasskommentare zeige. »Wie jedes menschliche Werkzeug hat es eine gute Seite, eine schlechte Seite und eine dumme Seite«, sagte die Autorin über das Netz.
Der Friedenspreis, der seit 1950 vergeben wird, ist mit 25 000 Euro dotiert. Der Stiftungsrat des Preises begründete die Entscheidung für Atwood mit deren politischem Gespür und deren Hellhörigkeit für gefährliche unterschwellige Entwicklungen und Strömungen. Als Laudatorin hob die Schriftstellerin Eva Menasse das »dramaturgische Genie« und den »Röntenblick« Atwoods hervor. AFP
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