Dunkle Wolken über Kolumbiens Friedensprozess

Experten sehen eine große Herausforderung durch die 2018 anstehenden Präsidentschaftswahlen

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Zahl ist immens: Acht Millionen Menschen wurden als Opfer des bewaffneten internen Konfliktes in Kolumbien anerkannt, der zwischen der Regierung und Guerillas wie vor allem den bewaffneten Streitkräften Kolumbiens (FARC) seit 1964 tobte. Der Friedensvertrag zwischen der größten Guerillagruppe und der Regierung regelt insbesondere die Entwaffnung der FARC und die Übergabe der von ihr kontrollierten Gebiete. Unklar ist bisher noch, wie und von wem die Opfer entschädigt werden sollen. Unter anderem deshalb wird der Friedensprozess von vielen Kolumbianern skeptisch beäugt. Frauen, die von Anhängern der FARC oder paramilitärischen Gruppen vergewaltigt wurden, können beispielsweise nicht verstehen, dass die Täter durch das verabschiedete Amnestiegesetz straffrei ausgehen sollen. Des Weiteren flüchten noch immer viele Menschen in Kolumbien vor Gewalt aus ihren Heimatorten in andere Teile des Landes. 2016 gab es in keinem anderen Land weltweit so viele Binnenflüchtlinge wie in Kolumbien: 7,2 Millionen Menschen.

Kolumbien-Experten widmeten sich daher unter dem Titel »Flucht vor dem Frieden?« in einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) und des GIGA-Instituts Hamburg der aktuellen Situation von Binnenvertriebenen in Kolumbien. Anhand einer beeindruckenden, interaktiven Grafik veranschaulichte Professorin Angelika Rettberg die Fluchtbewegungen in Kolumbien. Dabei wurde deutlich, dass die Menschen vor allem aus ländlichen Gebieten in die Städte flüchten. Dies sei eine Herausforderung für die sowieso schon ausgelasteten Millionenstädte Medellín, Cali und die Hauptstadt Bogotá, erklärte Rettberg. Schwarze, Indigene und Frauen seien von dem gewaltvollen Konflikt besonders betroffen, erklärte die Professorin für Friedensbildung, die selbst seit Jahren in Kolumbien lebt.

Ekkehard Griep, stellvertretender Vorsitzender der DGVN gab einen Überblick zum aktuellen Friedensprozess und warnte: »In den Regionen, die von der FARC kontrolliert wurden, herrscht jetzt ein Vakuum.« Oftmals versuchten paramilitärische Gruppen oder Anhänger der anderen Guerilla, der Nationalen Befreiungsarmee (ELN), dieses Vakuum für ihre Interessen auszunutzen. Dem kolumbianischen Staat müsste es daher künftig gelingen, nachhaltige staatliche Strukturen aufzubauen. Mit der ELN stehen Friedensverhandlungen noch aus, ein Waffenstillstand ist seit dem 1. Oktober in Kraft.

Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Tom Koenigs, sagte, dass der Friedensnobelpreis für Juan Manuel Santos eine große Unterstützung für den Friedensprozess gewesen sei. »Die Gesellschaft ist jedoch gespalten«, so Koenigs. Sabine Kurtenbach, Forscherin am GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien, kritisierte, dass Santos mit seinem Programm viel zu lange in der Defensive geblieben sei. »Es muss ein positives Narrativ für den Frieden geschaffen werden«, so Kurtenbach. Als weiteres Problem sprach Koenigs auch die Machtverhältnisse im Land an, die durch den Bergbau und den Drogenhandel besonders geprägt sind. Auch hier brauche es einen stärkeren Staat. Zudem sei das Land stark vermint. »Die Opfer von Minen sind meistens Kinder. Der Krieg ist nicht vorbei, solange noch Minen liegen«, so Koenigs.

Schwierig sei zudem, dass sehr viele verschiedene Akteure an dem Friedensprozess arbeiteten, erklärte Griep. Die Vereinten Nationen spielten eine große Rolle, zumal die FARC ihre Waffen an UN-Stellen abgeben. Doch in der Zivilgesellschaft würde die Präsenz der UN durchaus kritisch gesehen. Kurtenbach warf zudem ein, dass die Integration der ehemaligen Kämpfer nicht einfach sei, weil die FARC lange als »terroristisch« diskreditiert wurde.

In einem Punkt waren sich alle Experten einig: Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen Anfang 2018 stellen den Friedensprozess Kolumbiens besonders auf die Probe. Momentan versuchten sich alle Kandidaten von der Friedenspolitik des Staatspräsidenten Juan Manuel Santos zu distanzieren, da er in der Bevölkerung nur noch 20 Prozent Zustimmung genieße. Santos darf aus Verfassungsgründen nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. »Zudem bröckelt im Parlament gerade die Mehrheit, die hinter dem Friedensprozess steht«, sagte Rettberg.

Wie die Umsetzung des Friedensabkommens von der nächsten Regierung Kolumbiens verfolgt werde, sei die spannende Frage. Antworten gibt es darauf im kommenden Jahr.

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