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Österreichs Ostruck

Europäische Rechte feiern das Ergebnis der FPÖ. Diese will näher an die Visegrád-Gruppe

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Spitzenkandidat der rechten FPÖ Heinz-Christian Strache erklärte am Wahlabend: »60 Prozent haben FPÖ-Programm gewählt.« Damit hat er wohl recht. Und nicht nur für Österreich, sondern auch für die Europäische Union wird dies Veränderungen bedeuten - auch wenn noch nicht feststeht, ob es tatsächlich zu einer schwarz-blauen Koalition kommt.

Im Wahlkampf hatten sowohl der ÖVP-Chef und voraussichtlich neue Bundeskanzler Sebastian Kurz als auch Strache ihre Nähe zu den Visegrád-Staaten Tschechien, Slowakei, Ungarn sowie Polen und insbesondere zu Ungarns Staatschef Viktor Orbán betont. »Österreich sollte mit diesen Staaten vermehrt zusammenarbeiten, vielleicht sogar Mitglied der Visegrád-Gruppe werden«, hatte Strache nur wenige Tage vor der Wahl in einem Interview erklärt. Für die Auseinandersetzung innerhalb der EU vor allem um die Aufnahme und Verteilung von Asylsuchenden könnte das Wahlergebnis daher unmittelbar Auswirkungen haben. Ganz neu ist dies nicht: Schon die bisher amtierende SPÖ-ÖVP Regierung hatte bei der Schließung der sogenannten Balkanroute eng mit den Visegrád-Staaten zusammengearbeitet.

»Österreich sollte mit diesen Staaten vermehrt zusammenarbeiten, vielleicht sogar Mitglied der Visegrád-Gruppe werden.« FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in einem Interview

Eine schwarz-blaue Regierung unter dem bisherigen Außenminister Kurz würde diesen Weg wohl weitergehen und vertiefen - auch wenn sich Kurz am Montag anschickte, Bedenken aus dem Weg zu räumen: »Es ist ein gutes Ergebnis für Europa. Die ÖVP war und ist die Europa-Partei in Österreich«, betonte er. Und tat dies sicher auch mit Blick auf die EU-Ratspräsidentschaft, die Österreich in der zweiten Jahreshälfte 2018 übernehmen wird.

Eine stärkere Orientierung an der Visegrád-Gruppe könnte deren unnachgiebigen Kurs stärken. Zuletzt hatte sich Polen von Drohungen der EU-Kommission wegen seiner Justizreform ebenso wenig beeindrucken lassen wie Ungarn von dem Beschluss des Europäischen Gerichtshofs, der die 2015 beschlossene Flüchtlingsquote für rechtens erklärte. Nicht gerade euphorisch meldete sich dann auch Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Montag zu Wort. Mit einem Brief gratulierte er Kurz brav zu dessen Sieg, mahnte aber die Bildung einer »stabilen, proeuropäischen Regierung« an. Ähnlich klang Angela Merkel, die sagte, sie fände »die politische Zusammensetzung jetzt nicht so, dass ich sie mir für Deutschland als nachahmenswert vorstelle«.

Im österreichischen Wahlkampf spielte die EU durchaus eine Rolle: allerdings keine positiv besetzte wie in der Kampagne des Französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Weniger EU, mehr nationalstaatliche »Souveränität«, war der Tenor von ÖVP und FPÖ. Einen Öxit hat die FPÖ zwar nicht mehr - wie bis vor kurzem - öffentlich gefordert. Doch auch das, was sie heute vertritt, ist weitgehend: Die Partei stellt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) infrage, will Sparten des österreichischen Arbeitsmarkts für EU-Ausländer schließen, dauerhaft das Schengen-Abkommen aussetzen und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verlassen. Soweit geht Kurz zwar nicht, aber auch er möchte eine »schlankere« EU, die sich um Außengrenzen und Handelspolitik kümmern, sich aber sonst raushalten soll aus ihren Mitgliedsstaaten. Das ist so ungefähr das Gegenteil dessen, was Emmanuel Macron mit seinen Reformvorschlägen für die Union angeregt hat. Solche Ideen hatten es in Österreich aber offenkundig schwer: Die Grünen, die besonders kompromisslos pro EU auftraten, müssen wohl ihre Sessel im Parlament räumen.

Dass das Wahlergebnis jene Kräfte ermutigt, von denen die EU-Institutionen eigentlich gehofft hatten, dass ihr Aufstieg gestoppt sei, zeigen die Gratulationen an die FPÖ. Die versammelte europäische Rechte machte der Schwesterpartei ihre Aufwartung und zeigte sich auch sonst äußerst erfreut über den Wahlausgang. »Bravo an unsere Verbündeten der FPÖ. Das Ergebnis ist Ausdruck der Verbundenheit des europäischen Volkes zu Freiheit und Identität«, schrieb die Chefin der französischen Rechtspartei Front National (FN) auf Twitter. AfD-Politiker Alexander Gauland brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass eine Regierung aus ÖVP und FPÖ zustande komme. Matteo Salvini von der italienischen Lega Nord kommentierte das Ergebnis auf Facebook mit den Worten: »Danke Österreich! Stopp Islam, Stopp Invasion«.

So schließt sich ein Kreis: Vor zehn Monaten begann das europäische Superwahljahr in Österreich mit der Stichwahl zum Bundespräsidenten, die zwischen Norbert Hofer und dem Grünen Alexander Van der Bellen entschieden wurde. Mit bangem oder erwartungsvollem Blick, je nachdem, schauten europäische Bürger und Politiker auf die anstehenden Entscheidungen in einer ganzen Reihe von Ländern. Nun erneut in Österreich angelangt, ist die Bilanz: uneindeutig. Zwar hat Geert Wilders die Wahlen in den Niederlanden nicht gewonnen und eine französische Präsidentin Le Pen konnte verhindert werden. Aber: In Deutschland sitzen zahlenmäßig mehr rechte Abgeordnete im Parlament als in Frankreich und den Niederlanden zusammen. Und dass in Österreich fast zwei Drittel der Wähler mit ihrer Stimme Rechtspopulismus goutiert haben, zeigt, dass das große Aufatmen in der EU nach dem Sieg von Van der Bellen vor zehn Monaten verfrüht war. Zu dem damals befürchteten Rechtsruck in Europa ist es zwar nicht gekommen. Die Rechtsdrift aber geht - scheinbar unaufhaltsam - weiter.

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