Der Kampf geht weiter

Im Kino: »Clash« von Mohamed Diab

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 4 Min.

Die aristotelische Einheit von Ort und Zeit wird groß geschrieben in »Clash«, Mohamed Diabs Spielfilm über Festnahmen am Rande der Massendemonstrationen, die auf die ägyptische Revolution und die Absetzung des neuen, religiösen Präsidenten durch das Militär folgten. Ein Tag in Kairo im Jahr 2013 also, (k)ein Tag wie jeder andere, ein Tag der Zusammenstöße auf der Straße, der Repression, der Polizeiwillkür.

Der Polizeiwagen, in dem die gesamte Handlung spielt, fährt durch die Straßen, wenn die Lage es zulässt, und steht sonst still, umzingelt von Uniformierten in Kampfausrüstung. Mit jeder Fahrt füllt er sich. Die ersten, die eingesperrt werden, sind Reporter, ein US-Amerikaner darunter. Wenn draußen Steine fliegen oder Schüsse fallen, duckt man sich weg. Die Straße sieht man nur durch Türen oder vergitterte Fenster, die Atmosphäre ist klaustrophob, die Farbwahl bräunlich-bernsteinfarben, wie von der Erinnerung gefiltert oder mit Wüstensand durchsetzt. Die Fenster erlauben Schwenks in alle Richtungen, gefiltert durch Gitterstäbe. Und im Wagen wird es immer wärmer.

Eine Frau lässt sich festnehmen, weil ihr Sohn im Wagen sitzt: Er hatte Steine geworfen, weil der US-Journalist aus dem Wagen heraus mit einer Minikamera am Handgelenk filmte. Denn: »Journalisten sind Lügner und Betrüger« und alle Amerikaner ohnehin verdächtig. Einer hat ein Handy in den Wagen geschmuggelt - wer darf damit nun wen anrufen? Der Amerikaner seine Botschaft? Er winkt ab: »Selbst wenn ich das täte, die würden nur mir helfen.« Oder der, dessen Frau gerade entbunden hat und nicht weiß, wo er steckt? Oder der, dessen Onkel General ist? General klingt den anderen gut, der wird’s. Aber die Mama, die den Onkel alarmieren soll, will nur eins wissen: ob der Junge vor der Festnahme anständig gegessen habe.

Mancher schreit Slogans, während er schon die Rampe hochgeschoben wird. Dann geht der Kampf im Wagen weiter, der draußen auf der Straße tobt. Es gibt Verletzte, drinnen wie draußen, und eine kalte Dusche per Wasserwerfer, der kurzerhand an den Gefängniswagen gefahren wird. Das Gefühl der Ohnmacht ist total, als alles sich wieder beruhigt - ruhig wird da auch der Film für einen Moment. Dann kriegt der Amerikaner Handschellen verpasst, und den anderen wird mit der Erschießung gedroht, wenn sie noch einmal Krawall schlagen. Später bringt das Tränengas sie alle fast um, das gegen die Demonstranten zum Einsatz kommt.

Denn um den Wagen herum branden Straßenschlachten, das Militär wird angegriffen, und mit ihm die Gefangenen. Die Kamera ist mitten drin im Geschehen, oft sehr bewegt. Irgendwann erwischt ein Schuss den Fahrer, da hat man dann noch Glück, dass mal einer zuhört, als die Gefangenen nach draußen brüllen, dass jemand den Wagen stoppen müsse. Auch als man einen Scharfschützen vom Wagen aus ausfindig macht, den das Militär nicht orten konnte, wird der Tipp gern angenommen. Nur den Muslimbruder, der den Schützen warnen will, den muss man erst einmal niederringen. Irgendwann steht der Wagen nur noch, denn die Gefängnisse sind längst voll.

Wie die Polizei mit Demonstranten umgeht, davon sind schließlich alle gleichermaßen entsetzt, die Religiösen und die Anderen: Wer demonstriert, steht im Verdacht, ein militanter Muslimbruder zu sein, und wird entsprechend behandelt. Im Wagen selbst trägt man bald Armbinden, um die eigene Faktionszugehörigkeit darzustellen, und teilt sich in die Ecken auf. Dass es Spitzel geben kann und falsche Zugehörigkeiten, wird auch angesprochen: »Nicht alle mit Bart gehören automatisch zu uns.« Wasser gibt es keins, nicht nach dem Wasserwerfer. Essen auch nicht.

Andere Wagen mit vergitterten Fenstern fahren vorbei, dann tauscht man sich aus. Als ein Neuling in Uniform das kollektive Schreien nach mehr Luft und Wasser schließlich ernst nimmt und die Türen öffnen will, geht es ihm bald selbst ans Leder. Ein anderer, der Mitleid mit den Kindern hat - denn auch die sind im Wagen -, landet schließlich selbst darin, eingesperrt von den Kollegen. Ein T-Shirt-Aufdruck bringt es auf den Punkt: »F*ck This Shit.« Kein fröhliches Bild der gespaltenen ägyptischen Gesellschaft, das Diab da zeichnet.

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