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Gleicher Lohn am gleichen Ort?
Nelli Tügel über die angeschobene Reform der EU-Entsenderichtlinie
Der Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlamentes beschloss am Montag eine Reform der »Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern«. Der Ausschuss wohlgemerkt, das heißt, die Reform ist damit noch nicht in trockenen Tüchern. Zunächst muss das Plenum des Parlamentes zustimmen und dann der Europäische Rat, also die EU-Staats- und Regierungschefs.
Die Freude nach der Entscheidung war bei einigen dennoch groß. »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort ist kein frommer Wunsch mehr, sondern greifbar nah«, so Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Abgeordneten im Europaparlament. »Heute hat das Parlament einen großen Schritt hin zu einem sozialeren Europa gemacht«, schwärmte Sven Giegold von den Grünen. Etwas zurückhaltender war DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach, die mit Blick auf die noch ausstehende Entscheidung in Parlament und Rat sagte, die »vielleicht letzte Chance, die Entsenderichtlinie wirklich besser und gerechter zu machen, darf nicht vertan werden«. Die Zurückhaltung ist berechtigt, denn in der Vergangenheit sorgte die Entsenderichtlinie immer wieder für heftigen Streit.
Worum geht’s? Im Kern um Folgendes: Die 20 Jahre alte Richtlinie regelt die »Entsendung« von Mitarbeitern durch ihre Firmen in ein anderes EU-Land. Bislang gilt, dass diese nur nach dem Mindestlohn des Landes, in das man sie schickt, entlohnt werden müssen, nicht aber nach den dort gültigen Branchentarifen. Sollten die am Montag beschlossenen Änderungen der Richtlinie umgesetzt werden, gilt in Zukunft das Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort«. Das heißt, ein in Frankreich eingesetzter Bauarbeiter einer polnischen Firma müsste zukünftig für seinen Einsatz im Gastland nach den dort üblichen Tarifen entlohnt werden. Ein Interesse an dieser Neuerung haben Arbeitnehmervertreter, aber - je nach Branche - auch westeuropäische Firmen, die die Billiglohnkonkurrenz eindämmen wollen und sich bislang im Wettbewerb benachteiligt sehen. Dies erklärt, weshalb beispielsweise der französische Präsident Macron sich zuletzt für die Reform der Entsenderichtlinie lautstark einsetzte. Einbußen als Folge der Reform wiederum erwarten Firmen derjenigen Länder, in denen das Lohnniveau niedriger ist. Daher der Widerstand aus den östlichen Mitgliedsstaaten.
Klar ist, die Änderungen gehen in die richtige Richtung. Entsendung bedeutet oft extreme Ausbeutung - und es ist schlicht ungerecht, wenn auf derselben Baustelle für dieselbe Tätigkeit unterschiedliche Löhne gezahlt werden. Als die Richtlinie in Kraft trat, bestand die EU noch aus Ländern mit relativ ähnlichem Lohnniveau. Das ist heute anders, dem muss Rechnung getragen werden. Nationalistische Töne aber, die nahelegen, es gehe vor allem darum, einheimische Firmen vor osteuropäischen Niedriglöhnern zu »schützen«, treffen die Falschen.
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