Der lange Atem des Gipsers

Jahrzehntelanger Kampf eines Bayern gegen Schwarzarbeit auf Baustellen

  • Karl-Wilhelm Götte
  • Lesedauer: 3 Min.
Schwarzarbeit und die nachlassende Baukonjunktur haben einen ganzen Berufszweig in die Krise gestürzt: Die Gipser. Ein Beispiel aus Bayern.
Erst mit Rot-Grün ist endlich etwas passiert«, sagt Josef Friske. Das »Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe« ist Ende August endlich in Kraft getreten. 28 Jahre seines Lebens hat Josef Friske damit verbracht, Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung im Baugewerbe zu bekämpfen. Der Kampf des heute 67-jährigen Ruheständlers aus Eching am Ammersee war nicht selbstlos. Friske ist Gipser oder im Volksmund »Verputzer«. Ein ausgestorbener Berufszweig, seit Billig-Verputzkolonnen die Arbeit der Gipser systematisch übernommen haben. »Mein Kampf ist auch meinen Kollegen gewidmet, die aus Verzweiflung zu Sozialfällen geworden sind oder sich gar das Leben genommen haben«, erzählt er sichtlich ergriffen. Friskes Schlüsselerlebnis reicht bis zum Mai 1973 zurück. Damals verlangten jugoslawische Putzer von ihm nur 1400 Mark in die Lohnsteuerkarte einzutragen und den Rest schwarz auszuzahlen. »Putzer waren damals mit 5000 Mark Spitzenverdiener«, erläutert Friske. Er lehnte das ab. Doch andere, insbesondere große Baufirmen nicht. »75 bis 100 Prozent des Lohnes wurden schwarz ausgezahlt«, so Friske, der 25 Mitarbeiter beschäftigte. Bald musste er seinen Betrieb auf Grund des Preisverfalls und der ausbleibenden Aufträge abbauen. Damit der Betrieb noch etwas abwarf, arbeitete er selbst wieder mit.
Friske und einige Mitstreiter wollten sich mit ihrem Schicksal nicht abfinden. 1979 gründete Friske mit Gleichgesinnten einen »Interessenverband der Gipser«, der sofort 28 Strafanzeigen erstattete. »Doch passiert ist nicht viel«, sagt Friske. Die Lobby der großen Baufirmen war einflussreich: »Es ging um jährlich 200 Millionen Mark für Verputzarbeiten, die die "Großen" ungestört unter sich aufteilen wollten.« Bei der bayerischen Staatsregierung fand er keine Unterstützung. »Das Amigo-System funktionierte prächtig«, erklärt er sich deren Untätigkeit. »Auch Strauß hat nur seitenlange Versprechungen gemacht«, holt Friske einen weiteren Aktenordner hervor. Ebenso wie der damalige Leiter der Staatskanzlei Edmund Stoiber.
»Kontrolliert und drangsaliert von den Finanzbehörden«, so Friske wurden dagegen plötzlich die Betriebe der Gipservereinigung. »Von einst etwa 180 Putzfirmen im Großraum München ist kaum noch eine übrig geblieben. Preisabsprachen der Baukonzerne und der Einsatz von Schwarzarbeitern und Illegalen, ist Friske überzeugt, zwang sie alle in die Knie. Er gab seinen Betrieb 1995 auf. Die freie Zeit nutzte er, seinen Kampf zu intensivieren. Bis dahin waren bereits 70 000 Mark an Anwaltsgebühren für den Verein fällig. Unterstützung von politischer Seite gab es kaum. Trotzdem ließ er nicht nach Bundestagsabgeordnete oder die bayerische Staatsregierung mit Schreiben förmlich zu »bombardieren«. Die Resonanz in der Kohl-Ära war gleich Null.
Das weit verbreitete Subunternehmertum in der Baubranche ist die geeignete Tarnung für die illegale Beschäftigung. »Da gab es in den letzten fünf Jahren einen Quantensprung«, beschrieb der Münchner Staatsanwalt Klaus Schelzig kürzlich die exorbitant gestiegenen kriminellen Aktivitäten. Zumeist würden nun per illegaler Arbeitnehmerüberlassung Leiharbeiter aus Portugal eingesetzt, die für weniger als die Hälfte des üblichen Stundenlohns beschäftigt werden. Dem Auftraggeber wird jedoch der volle Lohn in Rechnung gestellt. Wenn sich ein Subunternehmer oder eine Scheinfirma aus dem Staub macht, gehen die illegal angeheuerten Portugiesen ganz leer aus. Leitende Mitarbeiter aller deutschen Baukonzerne, die unter anderen in den Großstädten Berlin, Leipzig und München bauen, gehören zu den Verdächtigten. Bisher wurden neun Haftbefehle gegen Deutsche und Portugiesen ausgestellt.
Das neue Gesetz sieht jetzt die Haftung des Generalunternehmers für die von ihm engagierten Subunternehmer vor. Der Hauptunternehmer muss zukünftig 15 Prozent der Bausumme für die Abfuhr der gesetzlich vorgeschriebenen Lohnsteuer und Sozialabgaben garantieren. »Per Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes können Unternehmen das Gesetz umgehen«, kritisiert Friske die eingebaute Ausnahmeregelung. »Wir müssen generell vom Subunternehmertum wegkommen«, setzt er sich ein neues Ziel.

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