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Ein Geschenk mit Nebenwirkung

Kritik an Schweriner Bildungsministerin wegen Computerlieferung für Schulen wächst

  • Iris Leithold, Schwerin
  • Lesedauer: 2 Min.

Wegen des umstrittenen Geschenks von 2500 Mini-Computern aus der Privatwirtschaft an 100 Grundschulen im Nordosten muss sich Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Birgit Hesse (SPD) nun selbst vom Regierungspartner CDU Kritik gefallen lassen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Landtag, Ann Christin von Allwörden, forderte am Montag viel Fingerspitzengefühl beim Thema Schulsponsoring.

Die CDU-Fraktion halte es grundsätzlich für begrüßenswert, wenn Firmen sich bereit erklären, Schulen zu unterstützen, sagte sie. »Im vorliegenden Fall ist es aber denkbar, dass wirtschaftliche Ziele im Vordergrund standen und nicht das Wohl der Schülerinnen und Schüler«, sagte sie. Beim Schenker handelt es sich um die gemeinnützige Calliope GmbH aus Berlin, die nach eigenen Angaben maßgeblich von Google unterstützt wird. Der US-Internet-Gigant ermöglicht demnach mit seinem Geld die kostenlose Verteilung der Mini-Computer an den Schulen.

Expertin: Digitalisierung im Alltag muss Schul-Thema sein

Rostock. Die Grundschulen sollten nach Ansicht der Rostocker Informatikprofessorin Alke Martens die fortschreitende Digitalisierung im Alltag im Lehrplan mehr berücksichtigen. »Dabei geht es nicht um einen Fortschrittsglauben, sondern um das frühe Erlernen von zugrunde liegenden Mechanismen und auch Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren«, sagte Martens. Prinzipiell werde die Technik in der Gesellschaft weiter vordringen und weite Bereiche des Lebens beeinflussen. »Aber es gibt keine Zwangsläufigkeit, jedem Trend und jeder technischen Errungenschaft hinterherzulaufen.« Genau diese Grundhaltung könne schon Grundschülern gut vermittelt werden. Die Informatikerin war jüngst zur Digitalisierungs-Beauftragten der Universität Rostock berufen worden. Ein typisches und für Kinder im Grundschulalter gut verständliches Beispiel seien Kettenbriefe, die vielfach über verschiedene Messenger-Dienste verschickt werden und oft eine Art Bedrohung beinhalten, erklärte Martens.

Kinder müssten auch verstehen, dass hinter Aktionen wie Kettenbriefen kommerzielle Interessen stehen und zudem Adressbücher ausgespäht werden können. Für die Schulen gehe es um eine prinzipielle Weichenstellung: Wie läuft die Kommunikation unter den beteiligten Lehrern, Eltern und Schülern? dpa/nd

Der FDP-Landesvorsitzende René Domke forderte beim Einsatz privater Initiativen ein Höchstmaß an Transparenz über den Mittelfluss, um eine Einflussnahme auf Bildungsinhalte sicher ausschließen zu können. Das umstrittene Geschenk könne überdies nicht über den aus seiner Sicht eklatanten und strukturellen Bildungsnotstand an Mecklenburg-Vorpommerns Schulen hinwegtäuschen, sagte er. Seit Jahren sei die Bildungszukunft in Mecklenburg-Vorpommern verschlafen worden. Die Schulen benötigten dringend schnelle Internetanschlüsse, moderne Technik und entsprechende Qualifikationen der Lehrer. Domke forderte eine Technikinvestition von 1000 Euro je Schüler.

Der Sprecher des Schweriner Bildungsministeriums, Henning Lipski, räumte ein: »Uns ist bekannt, dass die Calliope gGmbH von Google unterstützt wird.« Dem Ministerium sei aber auch bekannt, dass das Bundeswirtschaftsministerium die Calliope gGmbH unterstütze. Eine Gegenleistung für die Schenkung werde nicht erwartet, betonte er. Das Pilotprojekt sei ein freiwilliges Angebot.

Kritiker sehen in der Geschenk-Aktion dennoch einen Fall von Wirtschaftslobbyismus. Die Fraktionschefin der LINKEN im Schweriner Landtag, Simone Oldenburg, hatte gesagt, Land und Schulträger seien für eine zeitgemäße Ausstattung der Schulen zuständig und nicht private Unternehmen. Sie forderte ein Landesprogramm für digitale Bildung an den Schulen. Der Verein LobbyControl erklärte: »Wenn Internetfirmen Schulen mit Computern und ihrer Software ausstatten dürfen, sollen dann in Zukunft auch Fastfoodketten Besteck und Lebensmittel für den Ernährungsunterricht beisteuern?«

Ein Calliope-Sprecher hatte bestätigt, dass die Projektunterstützer nach dem Umfang ihres Engagements auf der entsprechenden Internetseite stehen, ganz oben Google. Wie viel Geld der Internetgigant locker gemacht hat, war dort nicht ersichtlich. Nur so viel: Das Engagement ermögliche erst die kostenlose Verteilung der Mini-Computer in den Ländern. dpa/nd

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