Liebe kann tödlich sein

»Penthesilea« in Bonn

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich Peter Konwitschny Othmar Schoecks (1886-1957) Einakter »Penthesilea« aus dem Jahre 1927 vornehmen würde. Die beiden geistigen und die Bühne für Extreme bereitenden, spätromantisch in ihren Tod tobenden Vorläufer(innen), Richard Strauss’ »Salome« und »Elektra«, hat er schon vor Jahren inszeniert. Was die Vorherrschaft des Patriarchats und die Macht der Konventionen für Spuren vor allem in der weiblichen Seele hinterlassen, ist eh eins der Themen, auf die er in seinen Inszenierungen schon immer besonders geachtet hat.

Zu diesen archaischen Frauengestalten, denen die Fähigkeit zur vorurteilsfreien Liebe und Hingabe an einen Mann auf die eine oder andere Weise abhandengekommen sind, gehört auch die Amazonenkönigin Penthesilea. Bei Kleist und bei Schoeck ist der Kampf gegen alle Exemplare des männlichen Geschlechts gleichsam schon in die weibliche DNA eingegangen. Annäherung, gar körperliche Vereinigung ist hier nur als Komplettierung eines Kampfes auf Leben und Tod vorstellbar. Nur wen sie besiegt, den darf sie lieben. Das Verhältnis der Geschlechter zueinander ist zum Krieg der Geschlechter pervertiert.

Und ausgerechnet der Mann Achilles, der da ausbrechen will, bezahlt das mit seinem Leben. Er wird mit blutigem Ernst von Penthesilea zerrissen, als ihr klar wird, dass man ihr den Sieg über Achilles nur vorgetäuscht hatte. Sie würde ihn durchaus lieben, wenn sie dürfte, also die Konvention des Amazonengesetzes und sie selbst es sich erlauben würden. Es ist das alte Lied, das wir vor allem mit den vertauschten Rollen kennen, die das Gesetz des Patriarchats immer wieder neu singt.

Konwitschny und sein Ausstatter Johannes Leiacker machen in der Bonner Inszenierung das Gegenteil des Erwartbaren. Sie belassen das Grauen in den Worten und in der Musik, bringen die Zuschauer (zum Teil sogar wortwörtlich) auf die Bühne und überlassen die Bilder unserer Fantasie. Der neue Bonner Generalmusikdirektor Dirk Kaftan dirigiert das Beethoven-Orchester für alle sichtbar auf der Hinterbühne. Die Spielfläche über dem Orchestergraben wird nicht nur vom Chor, sondern auch von Zuschauern umrahmt. Zwei Konzertflügel werden auf der Spielfläche wie Geschütze gegeneinander in Stellung gebracht.

Der Rest ist Personenregie jener Premiumklasse für die der Name Peter Konwitschny exemplarisch steht. Dshamilja Kaiser als Penthesilea und Christian Miedl als Achilles sind dafür vokal und darstellerisch ideale Protagonisten und führen das auch sonst exzellente Ensemble an. Für das Crescendo des Grauens zum Finale lässt Konwitschny seine Penthesilea als Konzertsängerin zurückkehren. Also einen Fluchtweg offen, den sie in der Geschichte eigentlich nicht hat.

Weitere Vorstellungen: 29. Oktober, 12. und 19. November

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