- Kultur
- Fats Domino
Wah wah wah
Rock’n’Roll-Musiker Antoine «Fats» Domino ist im Alter von 89 Jahren gestorben.
Bei seinen Liveauftritten kultivierte er das Kunststück, seinen Konzertflügel mit seinem umfänglichen Bauch über die Bühne zu schieben oder ihn mit seinen Schenkeln zum Wackeln zu bringen, was für nicht wenig Vergnügen im Publikum sorgte. Auch was seine Abendgarderobe angeht, schien der Mann einen eigenwilligen Geschmack zu haben: Pastellfarbene oder kanariengelbe Anzüge kann nicht jeder tragen. Fats Domino konnte das, er war der Blues- und Boogie-Mann.
1949 erschien seine Debütsingle «Fat Man», eine äußerst schmissige Tanznummer, die auf einer eingängigen Pianophrase beruhte: «They call, they call me the fat man/’Cause I weigh two hundred pounds/All the girls they love me/’Cause I know my way around.» Entscheidend im weiteren Text des Songs ist aber nicht der dicke Mann und die Zuneigung, die ihm vermeintlich von jungen Frauen entgegengebracht wird, sondern die bewusste Auflösung der so etwas wie Sinn transportierenden Rede, eine Art Vorwegnahme von Little Richards später legendär gewordener Lautpoesiepassage («Wop bop a loo bop a lop bam boom!»), ein mildes Gleiten in die von keinem regulierenden, berechnenden Verstand mehr getrübte Ekstase: «Wah wah wah, wah wah/Wah wah waah, wah wah wah/Wah wah waah, wah wah wah/Wah wah wah». Eine Vorschau auf die Zeit, in der es endlich den Rock’n’Roll geben sollte, ein neues, unerhörtes, empörendes Medium, das Verdrängtes verhandelt: das sexuelle Begehren und die unterdrückte Wut auf die verspießerte Gesellschaft.
Allerdings gilt Domino, der an den Fingern Gold- und Diamantringe spazierentrug, bis heute als der Brave, stets Vergnügte, Gemütliche und «Teddybärhafte» («Die Welt») unter den Sängern und Musikern der Zeit vor der Geburt des Rock’n’Roll, der wiederum den Pianisten und Sänger in den späten Fünfzigern noch populärer machen sollte.
Zwar rangierte er «in der Hitliste der meistverkauften Musiker zwischen 1955 bis 1959 auf Platz vier» und nur «Elvis Presley, Pat Boone und Perry Como setzten mehr Tonträger ab», wie die «Frankfurter Rundschau» vor Jahren schrieb. Doch wie die bereits verstorbenen und sich in den 50er Jahren weitaus wilder und ungestümer als Domino gebärdenden Chuck Berry und Little Richard gehörte auch Domino zu jenen schwarzen Künstlern, die vom sich kommerziell niederschlagenden Erfolg der maßgeblich von Afroamerikanern miterfundenen einstigen Subkultur Rock’n’Roll nicht annähernd so profitieren konnten wie deren weiße Nachahmer. Wenn Domino auch große Hits verbuchen konnte («I’m walking, »Blueberry Hill«).
In den 60ern und den darauffolgenden Jahrzehnten ging der Erfolg zurück, der Rock’n’Roll war längst abgelöst worden von den Hippies und der sexuellen Revolution, doch Domino tourte unablässig weiter, als sein eigenes Standbild, blieb starr bei dem Sound, der sich bewährt hatte, und reproduzierte auf den Bühnen die Popmusik der Vergangenheit.
Als der Hurrikan Katrina 2005 die traditionsreiche Jazz- und Bluesstadt Stadt New Orleans verwüstete, konnte Domino, der in der Naturkatastrophe sein Anwesen verloren hatte, aus seinem überfluteten Haus noch evakuiert werden, nachdem er zunächst tagelang als vermisst gegolten hatte. Später kehrte er in seinen Stadtteil zurück. Antoine »Fats« Domino ist in der Nacht zum Dienstag im Alter von 89 Jahren gestorben.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.