• Politik
  • Aufbau eines unabhängigen Kataloniens

»Die Republik verteidigen«

Gegen die Repression aus Spanien soll die Basis den Aufbau eines unabhängigen Kataloniens schaffen

  • Ralf Streck, Barcelona
  • Lesedauer: 4 Min.

Gewaltfrei und mit zivilem Ungehorsam, so soll der Aufbau der katalanischen Republik gegen die Repression aus Spanien langwierig erkämpft werden. »Die Republik zu verteidigen«, das ist seit ihrer Ausrufung am Freitag der zentrale Slogan, gerichtet an die »organisierte Bevölkerung« und die Basis der Unabhängigkeitsbewegung in Stadtteilen und Dörfern, der dabei eine entscheidende Rolle beim Widerstand gegen Madrid zukommt. Erwartungsgemäß hat dort der spanische Senat kurz nach der Abstimmung zur Unabhängigkeit die Maßnahmen abgenickt, die Regierungschef Mariano Rajoy im Rahmen der Anwendung des Paragrafen 155 angekündigt hatte.

Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont, der mitsamt seiner Regierung nun offiziell von Rajoy abgesetzt wurde, hat zur »demokratischen Opposition« aufgerufen. Denn Madrid will in Katalonien durchregieren. »Wir wissen, dass es hart werden wird«, erklärte Puigdemont am Samstag in einer Regierungserklärung, die über TV3 ausgestrahlt wurde.

Katalonien befand sich am Wochenende noch im Auge des Hurrikans und erwartete, dass der Sturm ab Montag losbricht. Denn auch Madrid ist klar, dass die Bevölkerung unter der Woche schwerer zu mobilisieren ist, um Verhaftungen zu verhindern und um die Institutionen zu schützen. Bekannt ist, dass das Ministerium für Staatsanwaltschaft schon an Haftbefehlen für den katalanischen Regierungschef Puigdemont, seinen Stellvertreter Oriol Junqueras und andere Mitglieder des Kabinetts und des Parlamentspräsidiums strickt.

Den beiden Wörtern »Konstituierender Prozess«, die bisher nur eine diffuse Vorstellung ausgedrückt hatten, kommt nun die Forderung nach dringlicher Umsetzung zu. Die Zivilgesellschaft muss ihn innerhalb von sechs Monaten stemmen, um die katalanische Republik mit Inhalt zu füllen und sich eine Verfassung zu geben. Für den katalanischen Außenminister Raül Romeva ist nun der Augenblick für die »wahren Demokratien« gekommen, in denen der Aufbau »nicht mehr vertikal und von oben dirigiert« werden könne, »sondern horizontal und partizipativ« sein müsse.

Zentral dabei dürfte dabei die »Versammlung der Gewählten in Katalonien« (AECAT) sein. Denn allseits wird befürchtet, dass Regierung und Parlamentarier massiver Verfolgung ausgesetzt sein werden. Ein Machtvakuum soll über AECAT aber verhindert werden. Bisher haben sich mehr als 4000 Stadtverordnete, Bürgermeister, Parlamentarier verschiedenster Parlamente bis hin zum Europaparlament dort eingeschrieben. Die ausstehende Konstituierung würde durch Verhaftungen beschleunigt.

Wie schon bisher kommt der basisdemokratisch und gut organisierten linksradikalen CUP eine ganz besondere Rolle im weiteren Prozess zu. Eudald Calvo, CUP-Bürgermeister der Gemeinde Argentona und Vizepräsident der Gemeindeversammlung für die Unabhängigkeit, meint, es gäbe eine »unumstößliche Verpflichtung« der gewählten Vertreter gegenüber der eigenen Regierung und der Republik. Doch Calvo macht keine falschen Hoffnungen. Deshalb sieht er in AECAT eine Struktur, mit der »vorangeschritten« werde, »auch wenn die Regierung der Republik verhaftet wird«. Dann müsse die Verantwortung »auf die Volkssouveränität« übergehen.

Die Gemeinden hätten schon lange eine bedeutsame Rolle gespielt, verweist Calvo auch auf das Referendum am 1. Oktober. »Ohne die Gemeinden ist nichts zu machen«, erklärt er im Hinblick darauf, dass Spanien nun am 21. Dezember Neuwahlen durchführen lassen will. Calvo ist klar, dass Madrid über seine Sicherheitskräfte zwar weiter das Land kontrolliere, »aber nicht die Gemeinden«, was ein Vorteil für die Republik sei.

Die CUP hat schon angekündigt, sich an den Wahlen nicht zu beteiligen. Sie will den Spieß umdrehen und dem Staat zeigen, dass der weder das Referendum verhindern konnte, noch dazu fähig ist, in Katalonien Wahlen durchzuführen. Debattiert werden auch massivere Kampfformen wie ein Generalstreik: Ein solcher hatte bereits am 3. Oktober als Antwort auf die Gewalt beim Referendum das Land lahmgelegt.

Gleichzeitig will man aber auch die Menschen für den Prozess gewinnen. So richtet sich der »Konstituierende Prozess« an alle, auch an die, die wie die spanische Linkspartei Podemos (Wir können es) gegen die Unabhängigkeit sind. Im »nd«-Gespräch machte Noelia Bail, Generalkoordinatorin der Partei in der katalanischen Sektion, deutlich, dass man sich daran beteiligen werde, obwohl man gegen die einseitige Unabhängigkeitserklärung gestimmt hat. »Wir haben immer gesagt, dass wir für das Selbstbestimmungsrecht sind«, verweist Bail auf das Podemos-Programm und ein Manifest zur Gründung der Fraktion »Katalonien gemeinsam kann es«. Weiter: »Dieser ›Konstituierende Prozess‹ bietet die Chance, die begrenzte Demokratie und die Monarchie, entstanden unter den Drohungen der Militärs und dem starken Einfluss der rechtsextremen, zu Fall zu bringen.«

Deshalb positioniert sich Podemos gegen die Unionisten von Rajoys rechter Volkspartei (PP), den rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) und den Sozialdemokraten (PSOE). »Wir wollen diesen feministischen, sozialen und partizipativen Prozess« in dem, nicht wie nach der Diktatur, von oben etwas durchgedrückt wird, was in Hinterzimmern ausgeschachert worden sei. Es gehe nicht um kleine Änderungen, sondern um eine komplette Neubestimmung. Zwar wolle man die für ganz Spanien, »aber warum sollten wir warten, wenn wir hier schon damit beginnen können.« Das sagt Bail auch im Hinblick auf die PSOE, auf die ihre Partei sich zuletzt Hoffnung gemacht hatte. Die PSOE habe mit ihrer Zustimmung zum 155 aber erneut gezeigt, »dass sie Teil des Problems ist«.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -