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  • Unabhängigkeitsstreit in Spanien

Puigdemont bleibt vorerst in Brüssel

Entmachteter katalanischer Regierungschef ließ sich in Belgien anwaltlich beraten - politisches Asyl will er aber nicht beantragen

  • Lesedauer: 6 Min.

Brüssel. Der in Spanien angeklagte katalanische Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont will seine Politik aus der EU-Hauptstadt vorantreiben. Er suche in Belgien kein politisches Asyl und wolle sich auch nicht vor der spanischen Justiz verstecken, sagte er am Dienstag in der belgischen Hauptstadt.

Puigdemont appellierte an die spanische Regierung in dem Unabhängigkeitsstreit auf Gewalt zu verzichten. »Katalonien bleibt offen für den Dialog«, so Puigdemont. Dorthin war er mit acht seiner separatistischen Mitstreiter ausgereist. »Ich bin hier, um in Freiheit und Sicherheit zu handeln.«

Die Staatsanwaltschaft in Spanien hatte am Montag Anklage gegen Puigdemont und weitere Mitglieder der abgesetzten Regionalregierung erhoben. Ihnen werden unter anderem Auflehnung gegen die Staatsgewalt, Rebellion und Unterschlagung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Im Fall einer Verurteilung droht ihnen in Spanien eine bis zu 30 Jahre lange Haftstrafe.

»Wir haben uns nach Brüssel verlegt, um das katalanische Problem im institutionellen Herzen Europas zu erläutern und (...) um der Welt das schwerwiegende demokratische Defizit zu zeigen, das es im spanischen Staat gibt«, sagte Puigdemont in Brüssel. Zudem habe er »jede Art von Konfrontation« vermeiden wollen, die bei seinem Verbleib in Katalonien hätte drohen können. Er und die Mitglieder seiner Regierung sowie des katalanischen Parlaments seien in Barcelona ungeschützt. Allerdings war Puidgemont wichtig zu betonen: »Es gibt kein Chaos.«

Wie lange er in Belgien bleibe, sei noch unklar. Das komme auf die Umstände an, sagte Puigdemont. Man müsse ihm Garantien geben, dass er eine gerechte Behandlung erfahre. »Wir wollen nicht vor unserer Verantwortung vor der Justiz fliehen.«

Die wirtschaftsstarke Region Katalonien steht derzeit unter Zwangsverwaltung aus Madrid, weil die Mehrheit im Parlament am Freitag einseitig eine Unabhängigkeitserklärung abgegeben hatten. Diese setzte das Verfassungsgericht am Dienstag aus. Derweil ließ der Oberste Gerichtshof die Klage gegen die Ex-Präsidentin des katalanischen Parlaments, Carme Forcadell, und fünf weitere Mitglieder des Parlaments zu.

Gegen Puigdemont und seine Begleiter besteht kein Haftbefehl. »Wir können uns frei in der Europäischen Union bewegen«, sagte Puigdemont in Brüssel. Gleichzeitig sagte er, seine Ausreise habe nichts mit Belgien oder der belgischen Politik zu tun.

Die Krise in Katalonien hatte Anfang Oktober mit einem Unabhängigkeitsreferendum an Fahrt aufgenommen, das das Verfassungsgericht eigentlich verboten hatte. Die konservative spanische Regierung von Mariano Rajoy hat mittlerweile in der Region im Nordosten Spaniens Neuwahlen für den 21. Dezember ausgerufen.

Er wolle die Ergebnisse der Wahl respektieren, sagte Puigdemont in Brüssel. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy forderte er dazu auf, ein eben solches Bekenntnis abzulegen. Die Katalanen ihrerseits müssten Ruhe bewahren und den pazifistischen Kurs fortsetzen. »Wir wollen unsere Politik im Herzen Europas vorantreiben«, sagte Puidgemont. In Katalonien sei die Demokratie durch die spanische Zentralregierung verletzt worden. »Wir werden dagegen weiter Widerstand leisten.«

Juristischer Beistand in Brüssel

Angesichts des ihm drohenden Verfahrens wegen »Rebellion« hatte Puigdemont M Wochenende juristischen Beistand in Brüssel gesucht. Der belgische Anwalt Paul Bekaert sagte am Montag im flämischen Fernsehsender VRT, er habe persönlich mit Puigdemont gesprochen. Bekaert sprach von einem »ersten Kontakt« mit Puigdemont. »Er hat mich formal zu seinem Anwalt ernannt.« In dem Gespräch sei es um die juristische Vorbereitung im Umgang mit der spanischen Zentralregierung gegangen.

Bekaert ist Experte für Asylrecht und ehemaliger Verteidiger mutmaßlicher Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation ETA. »Ich habe mehr als 30 Jahre Erfahrung mit Auslieferung und politischem Asyl spanischer Basken«, sagte Bekaert. »Wahrscheinlich hat er mich aufgrund dieser Erfahrung kontaktiert.« Mehrere EU-Einrichtungen erklärten auf Nachfrage, es seien keine Treffen mit Puigdemont in Brüssel geplant. Spanischen Medienberichten zufolge wurde Puigdemont von mehreren Mitgliedern seiner ebenfalls abgesetzten Regierung begleitet.

Verfassungsgericht setzt Unabhängigkeitserklärung aus

Das spanische Verfassungsgericht hat inzwischen die am Freitag verabschiedete Unabhängigkeitserklärung Kataloniens vorläufig ausgesetzt. Es sei eine vorsorgliche Maßnahme, während über einen Antrag der Zentralregierung in Madrid verhandelt werde, erklärte das Gericht am Dienstag. Die spanische Regierung hatte vor dem Verfassungsgericht argumentiert, die zwei Resolutionen des katalanischen Regionalparlaments zu einer unabhängigen Republik hätten gegen die Aufhebung eines früheren Gesetzes verstoßen. Das hatte zuvor die Grundlage für das von Madrid ebenfalls nicht anerkannte Unabhängigkeitsreferendum gebildet.

Puidgemonts Partei PDeCAT nimmt an Neuwahl teil

Derweil gab eine Sprecherin der Puigdemont-Partei bekannt, dass diese sich an den von der spanischen Regierung für den 21. Dezember angesetzten Wahlen in Katalonien beteiligen wolle. Ihr sei sehr daran gelegen, dass die Katalanen ihren Willen zum Ausdruck bringen könnten, sagte Marta Pascal, die Generalsekretärin der liberalen Katalanischen Europäischen Demokratischen Partei (Partit Demòcrata Europeu Català, PDeCAT).

Der zuvor für Unternehmen zuständige Minister Santi Vila brachte sich am Dienstag als Spitzenkandidat für die Regionalwahl ins Gespräch. Er stehe für die Unabhängigkeit aus einer gemäßigten Position heraus, sagte Vila dem Radiosender RAC-1. Er war am Wochenende als Minister zurückgetreten und protestierte damit dagegen, dass Puigdemont an den Abspaltungsplänen festhielt, statt einen Kompromiss mit der Regierung in Madrid zu suchen.

Marta Pascal räumte unterdessen ein, dass sich die Unabhängigkeitsbefürworter den Abspaltungsprozess einfacher vorgestellt haben. »Wir haben getan, was wir tun mussten«, sagte Pascal dem katalanischen TV-Sender TV-3. Aber als eine internationale Anerkennung ausgeblieben sei und die Lokalpolizei Mossos den Befehlen der Zentralregierung folgen musste, habe das für Ernüchterung gesorgt. »Wir haben uns etwas als sehr einfach vorgestellt, was vielleicht nicht so einfach ist - aber es war möglich«, bekräftigte Pascal.

Seit Montag steht Katalonien unter Zwangsverwaltung. Mindestens eines der von Madrid abgesetzten Mitglieder der katalanischen Regionalregierung hielt sich in seinem Büro auf: Der für Infrastruktur, öffentliche Arbeiten und Verkehr zuständige Minister Josep Rull belegte das im Kurzbotschaftendienst Twitter mit einem Foto und einem Text, wonach er damit das in ihn gesetzte Vertrauen der Katalanen erfülle.

Die Mossos d'Esquadra, die katalanischen Polizisten, erhielten Order aus Madrid, den Mitgliedern der Regionalregierung den Zugang zu deren Büros zu erlauben, um ihre persönlichen Sachen zusammenzupacken. Sollten sich die Minister weigern, ihre Büros wieder zu verlassen, sollen die Polizisten ein Protokoll erstellen und an die Justiz weiterleiten.

Razzia bei Mossos d’Esquarda

Nach Beginn der Direktverwaltung in Katalonien werden bei der Lokalpolizei Mossos d'Esquadra Unterlagen zum umstrittenen Unabhängigkeits-Referendum am 1. Oktober ausgehoben. Beamte der militärisch organisierten Polizeieinheit Guardia Civil führten eine Razzia an mehreren Standorten der Mossos durch, um Aufzeichnungen zur Kommunikation der Behörde während des Urnengangs zu beschlagnahmen. Betroffen waren neben dem Hauptquartier in Sabadell bei Barcelona unter anderem auch Girona und Tarragona, wie unter anderem die Zeitung »El Pais« am Dienstag berichtete.

Die Unterlagen sollen den Vorwurf untermauern, dass die Mossos sich durch absichtliche Untätigkeit der Anordnung widersetzt hätten, Schulen und andere Wahllokale in der Region abzuriegeln, um die Abstimmung zu verhindern. Dem abgesetzten lokalen Polizeichef Josep Lluís Trapero wird deswegen die Unterstützung eines Aufstandes vorgeworfen.

Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte die Regionalregierung Kataloniens am Freitag für abgesetzt und das Parlament in Barcelona für aufgelöst erklärt. Spaniens Vizeregierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría übernahm die Kontrolle über die Verwaltung in Katalonien. Agenturen/nd

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