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Profit mit der Not

Geschäftsleute kassieren mit überteuerten Pensionen für Flüchtlinge ordentlich ab

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 4 Min.

Die zwei Zimmer, in denen die vierköpfige syrische Flüchtlingsfamilie F. wohnt, kosten 80 Euro. Pro Nacht. Küche und Toilette müssen sie mit zwei anderen Familien teilen. Der Grund für den hohen Mietpreis: Die Wohnung in Tempelhof ist genau genommen keine Wohnung sondern eine Pension. Hier wird die Miete nach Tagessätzen abgerechnet.

2014 kam Anas F. nach Berlin. Er bekam Asyl und durfte Ende 2015 seine Frau und die beiden Töchter nachholen. Doch mit der Ankunft der Familie musste er aus seinem Wohnheim ausziehen und sich selbst eine Bleibe suchen. Denn bei Flüchtlingen, die über den Familiennachzug nach Deutschland kommen, ist nicht das Land, sondern der Bezirk für die Unterbringung zuständig. Doch erst seit Oktober 2017 erlaubt Berlin den Bezirken, nachgeholte Familien in den Heimen unterzubringen - vorausgesetzt dort ist Platz.

Anas F. und seine Familie sind nicht die einzigen Flüchtlinge, die nach der Anerkennung als Asylberechtigte von den Bezirken neu untergebracht werden mussten. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Soziales sind 34 000 Flüchtlinge aus der Zuständigkeit des Landes in die der Bezirke gewechselt. Nicht immer müssen sie dann aus dem Wohnheim ausziehen. Aber es gibt zahlreiche Gründe, warum einige das mussten. Etwa wegen der Schließung des Wohnheimes oder längerer Abwesenheit. Oder eben aufgrund des Familiennachzugs.

»Der Bezirk konnte uns 2015 keine Unterkunft besorgen«, erinnert sich Anas F. Stattdessen gab es einen Gutschein, mit dem die Familie sich selbst etwas suchen sollte. Pro Tag und Person war der Bezirk bereit, 20 Euro zu zahlen. »Tagelang musste meine Familie illegal irgendwo nächtigen, weil wir nichts fanden«, sagt Anas F. »Schließlich gab mir ein arabischer Wachmann in meinem Wohnheim die Adresse hier.« Die Pension gehört einem Verwandten von ihm, der seitdem gutes Geld verdient. Obwohl Anas F. Arbeit in einer Werbefirma gefunden hat, ist die Familie nach wie vor vom Jobcenter abhängig. Denn die Miete von rund 2400 Euro pro Monat übersteigt sein Nettogehalt. Seine Frau ist den ganzen Tag mit der Wohnungssuche beschäftigt. »Das ist das wichtigste, was wir brauchen«, sagt Anas F.

Anders als das Land Berlin haben die Bezirke keine Unterkünfte für Flüchtlinge unter Vertrag. In der Not nehmen sie, was sie kriegen können. Dadurch hat sich ein Markt von Pensionen, Hostels und anderen Heimen mit Tagessätzen von 20 bis 35 Euro entwickelt. Im Haushaltsentwurf des Landes Berlin sind für 2018 340 Millionen Euro für solche Unterbringungen veranschlagt. Christian Lüder vom Netzwerk »Berlin hilft« spricht von »einem bunten Gemisch aus Notübernachtungsplätzen und Hostels in unterschiedlicher Qualität.« In vielen Fällen seien diese Plätze nicht nur viel zu teuer, sondern auch »ungeeignet, dass Menschen dort über einen längeren Zeitraum wohnen.«

Als Beispiel nennt er die vom Land Berlin gekündigten Firmen PeWoBe und Gierso. PeWoBe wurde gekündigt, nachdem Gespräche des Führungspersonals über die Anschaffung einer »Kinderguillotine« und die Köpfung von Flüchtlingen öffentlich wurden. »Einige Heime dieser Firmen bestehen trotz Kündigung nach wie vor. Betreiber sind die Rechtsnachfolger der gekündigten Firmen«, erzählt Lüder. Das Land habe zwar diejenigen Flüchtlinge herausgeholt, für die es zuständig ist. »Aber die Bezirke waren gierig darauf, die freien Plätze belegen zu können«. Flüchtlingsinitiativen wie »Berlin hilft« fordern deshalb eine gesamtstädtische Steuerung der Flüchtlingsunterbringung.

Auch Diana Henniges von »Moabit hilft« hat fragwürdige Erfahrungen mit den »wilden Pensionen« gemacht. In einigen Fällen müssten die Bewohner Fantasiepreise für WLAN zahlen oder für 70 Cent Stundenlohn Gartenarbeiten erledigen. »Wenn wir solche Probleme ansprechen, finden wir in einigen Bezirken nicht mal einen Ansprechpartner, der sich zuständig fühlt«, beklagt Henniges.

Anders als das Land führen die Bezirke keine regelmäßigen Qualitätskontrollen in den von ihnen belegten Unterkünften durch. Das Problem ist jedoch durchaus bekannt. »Wir zahlen unmögliche Preise für unmögliche Unterkünfte,« sagte Mittes Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) der »Berliner Morgenpost«.

Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) möchte ab 2018 die Unterbringung von Geflüchteten gesamtstädtisch zentral steuern. »Da sind wir mit den Bezirken im Gespräch. Ein erster Entwurf befindet sich derzeit in Abstimmung«, sagt ihre Sprecherin Karin Rietz. Geplant ist eine gemeinsame Qualitätssicherung und ein gemeinsames Vertragswesen.

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