China schwenkt auf saubere Energie um

Mit einer Umweltoffensive will sich das asiatische Land als Klimavorreiter etablieren

  • Finn Mayer-Kuckuk, Yulin
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Bergbaustadt Shenmu spaltet Chinas neue Energiepolitik die Geister. Li Hongwei etwa glaubt fest an die Kohle. Kein Wunder, denn der Mittvierziger arbeitet für das Bergbauunternehmen Shennan Hongliu Kuangye. Als Vorarbeiter muss er ein Netz von Förderbändern reibungslos am Laufen halten. »China braucht Kohle auch langfristig«, glaubt Li. »Schauen Sie doch mal, wo Strom und Wärme in der Praxis herkommen.«

Li hat das Gegenmodell jedoch jeden Tag vor Augen. In Sichtweite seiner Kohlegrube entsteht ein neuer Solarpark - und es läuft gut. Planierraupen bereiten einen neuen Bauabschnitt vor, an den Containern der Bauleitung können sich Arbeiter jederzeit um einen Job bewerben. Während die Kantine der Kohlemine nach einer Entlassungsrunde immer leerer wird, herrscht im Yulin-Yu- shen-Industriepark für Neue Energie ungebremste Aufbruchsstimmung.

China baut seine Energiesysteme um. Auf dem Parteikongress der regierenden Kommunisten Mitte Oktober hate Präsident Xi Jinping einen besonderen Fokus auf Energie und Nachhaltigkeit gelegt. »Unser Land führt die internationale Zusammenarbeit zur Bewältigung des Klimawandels an und fungiert als wichtiger Teilnehmer am Aufbau der globalen ökologischen Zivilisation«, sagte Xi. »Alles, was wir der Natur antun, wird auf uns zurückfallen!« Diese Haltung passt gut zu Chinas neuer Rolle auf der Klimakonferenz in Bonn: Vorreiter in der Klimapolitik, für den die Rolle jedoch noch neu ist.

Der Trend ist klar: 2017 bricht allein der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen in China erneut Rekorde. Von Januar bis Ende September hat China neue Solarzellen mit einer Leistung von 42 Gigawatt installiert. Damit ist 2017 so viel dazugekommen, wie Deutschland insgesamt aufgestellt hat. Auch andere moderne Energieträger sind schwer im Kommen. China erreicht drei Mal mehr installierte Windleistung als Deutschland - über 150 Gigawatt.

Bis 2030 soll ein Fünftel der Energie aus sauberen Quellen stammen. Im Fünfjahreszeitraum bis 2020 will das Land dafür 320 Milliarden Euro ausgeben. Priorität hat derzeit der Umbau der Netze. Der zügige Ausbau der Elektromobilität soll derweil helfen, Abnehmer für Zeiten des Stromüberangebots zu schaffen.

Die Energiewende hat aber auch viele Feinde. Kohlebefürworter kämpfen in der Partei um den Erhalt von Abbau und Verbrennung. Es sind vor allem Provinzfürsten und Bosse von Staatsbetrieben der Schwerindustrie. »Auf beiden Seiten wirken starke Kräfte«, sagt Zou Ji, Vizechef des National Center for Climate Change Strategy and International Cooperation in Peking. Die Kohle liefert über sechs Zehntel der Energie in China. Öl und Gas für Heizung und Straßenverkehr machen 25 Prozent aus. »Eine Mehrheit in der zentralen Führung unterstützt jedoch saubere Energiequellen«, so Zou. Die Vorteile sind offensichtlich: Die Luft wird besser, die Technik lässt sich weltweit verkaufen und es entstehen Arbeitsplätze.

Für den Kohlebetrieb, in dem Li Hongwei arbeitet, ist der neue Kurs der Regierung jedoch eine schlechte Nachricht. Li berichtet von zwanzigprozentigem Nachfrageeinbruch. Sein Betrieb musste Mitarbeiter entlassen und Gehälter kürzen. »Hier stirbt eine Wirtschaftsform, die wichtig für China ist.« Wer nahe Shenmu durch den gelblichen Staub der Löss-Landschaft fährt, sieht überall geschlossene Tore von Kohlebetrieben. 2016 sind in der Kohlebranche eine halbe Million Arbeitsplätze verloren gegangen.

Xi bedient sich nun marktwirtschaftlicher Methoden, um die Abkehr von der Kohle durchzusetzen. In diesen Tagen startet ein landesweiter Emissionshandel. Das Recht, Kohle und Öl zu verbrennen, soll dem zufallen, der am meisten dafür zu zahlen bereit ist. Voll umgesetzt, wird der chinesische Emissionshandel der größte der Welt sein. Mit einem gedeckelten Volumen von vier Milliarden Tonnen soll er zweimal mehr Kohlendioxid verwalten als das entsprechende Rahmenwerk in der EU. China ist für ein Drittel der weltweiten Emissionen verantwortlich. Der Handel soll anfangs 16 Prozent des Ausstoßes von Treibhausgasen abdecken. Seine Einführung ist ein Wendepunkt der globalen Energiepolitik.

Auch Li Hongwei kann dem Trend inzwischen Positives abgewinnen: »Die Luft ist ja durchaus schon besser geworden.«

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