Angst vor der Apokalypse
Italiens Fußballer wollen in den Playoff-Duellen gegen Schweden nicht ihr Gesicht verlieren
Es ist gar nicht so lange her, dass Italiens Fußballern Großartiges gelang. Vor elf Jahren wurde die Squadra Azzurra Weltmeister. Fabio Cannavaro, Kapitän der siegreichen Mannschaft, schaffte sogar Einzigartiges. Er wurde 2006 er als erster und bislang auch letzter Verteidiger zum Weltfußballer gekürt. Es war eine letzte Reminiszenz an den Catenaccio. Fortan dominierte die Offensive - beeindruckend gespielt von den Spaniern oder der deutschen Nationalelf. Der viermalige Weltmeister kam nicht mehr hinterher. Bei den vergangenen beiden Weltmeisterschaften schieden die Italiener bereits in der Vorrunde aus.
Nun droht sogar die »Apokalypse«. So nennt der italienische Verbandschef Carlo Tavecchio die Möglichkeit, »die WM zu verpassen«. Um im kommenden Sommer in Russland dabei zu sein, müssen die Italiener in zwei Playoff-Duellen gegen Schweden bestehen. Nach dem Hinspiel an diesem Freitag in Stockholm wird der Sieger drei Tage später in Mailand gesucht.
Der Respekt vor dem Gegner ist groß. »Schweden hat nicht umsonst die Niederlande hinter sich gelassen«, meint Torwart Gianluigi Buffon. Der 39-Jährige gehörte schon zur Weltmeistermannschaft 2006. Ebenso wie Daniele de Rossi. Der 34-Jährige hofft, »dass keinem von uns die Beine zittern.« Passieren kann das schon mal - beim Gedanken an ein mögliches Scheitern. Wenn die Italiener nach 60 Jahren wieder bei einer WM nur zuschauen müssten, würden wohl alle Verantwortlichen in der stolzen Fußballnation ihr Gesicht verlieren.
Um nicht gleich selbst mit unterzugehen, haben die Verbandsfunktionäre schon mal einen Schuldigen ausgemacht: Trainer Gian Piero Venture. Eine Delegation der Federazione Italiana Giuoco Calcio soll bereits in London gewesen sein, um Ventures Vorgänger Antonio Conte zu einer Rückkehr zu bewegen. Und nicht nur der Coach vom FC Chelsea soll kontaktiert worden sein. Selbst im Falle der WM-Teilnahme ist Ventures Job keinesfalls sicher.
Sicher ist, dass Italien die Entwicklung im Fußball verpasst hat. Das zeigt schon der aktuelle Kader der Nationalelf, in dem allein acht Spieler älter als 30 Jahre sind. Vor allem aber sind es Taktik und System, die kaum noch konkurrenzfähig sind. Wie gegen die Gruppengegner in der Qualifikation: von Spanien demontiert (0:3), Remis gegen Mazedonien (1:1) oder nur sehr knappe Siege gegen Albanien und Israel (jeweils 1:0). Gegen Spitzenmannschaften reichen Erfahrung, Defensive und Zweikampfstärke nicht mehr. In Spielen gegen schwächere Gegner wird das Grundübel deutlich: wenig Kreativität im Spiel nach vorn, wenige Chancen, zu wenige Tore.
Der Hoffnungsträger für die beiden Spiele gegen Schweden heißt Ciro Immobile. Bei Borussia Dortmund und danach beim FC Sevilla kläglich gescheitert, hat der 27-jährige Stürmer offenbar sein Glück nun in Rom gefunden. 37 Treffer in 48 Ligaspielen gelangen ihm für Lazio bislang. Sechs Mal konnte er in der WM-Qualifikation auch im Nationaltrikot jubeln. Trainer Venture bleibt gar nichts anderes übrig, als auch jetzt »auf seine Tore« zu hoffen.
Aber: Einerseits muss Immobile seine internationale Klasse erst noch beweisen. Seine Tore für Italien erzielte er gegen Israel, Mazedonien, Liechtenstein und Albanien. Und andererseits hat auch er das Problem, in einer Mannschaft zu spielen, die sich der Offensive oft verweigert. Italiens Rekordtorschütze heißt Luigi Riva. Noch immer, seit 43 Jahren. Dabei sind seine 35 Treffer eigentlich keine unerreichbare Marke, im Trikot der Squadra Azzurra wohl schon.
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