Kambodscha auf dem Weg zum Einparteienstaat

Premier Hun Sen will mit Gesetzestricks und fragwürdigen Verbündeten die Opposition völlig demontieren

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Vielleicht hätte es sogar zu einem Wahlsieg gereicht - zumindest glaubte das die Nationale Rettungspartei (CNRP) selbst, die der Regierung beim Ergebnis der jüngsten Wahl 2013 Manipulationen vorgeworfen und etliche Monate das Parlament blockiert hatte. Dabei schnitt die einzig landesweit relevante Oppositionskraft selbst nach den offiziellen Resultaten so gut ab wie nie zuvor. Der Vorsprung der regierenden Volkspartei (CPP) Hun Sens schrumpfte auf nur noch 68 Mandate, die anderen 55 errang die CNRP.

Nächstes Jahr wird ganz regulär gewählt. Doch nach allem, wie es derzeit in Phnom Penh aussieht, wird die CNRP - die andernfalls echte Siegeschancen gehabt hätte - nicht einmal mehr auf den Stimmzetteln erscheinen. Ein Gericht wird noch diesen Monat über ihre Auflösung befinden. Die Entscheidung steht in Zusammenhang mit dem Vorwurf an Kem Sokha, mit seinen Getreuen einen Umsturz geplant zu haben. Gemeinsam mit ausländischen Verbündeten (der Blick richtet sich insbesondere in Richtung USA) habe er eine »farbige Revolution« nach dem Vorbild mittelasiatischer und osteuropäischer Staaten anzetteln wollen, heißt es. Als »Beweis« dient ein Video, auf dem der Oppositionsführer einräumt, Ratschläge aus den Vereinigten Staaten erhalten zu haben.

Waren die Vorwürfe schon bisher schwerwiegend, hat Premier Hun Sen die Wortwahl zuletzt noch einmal verschärft. Inzwischen spricht der Mann, der seit drei Jahrzehnten die Geschicke des einstigen Bürgerkriegslandes lenkt, von einem »terroristischen Netzwerk«, an dessen Spitze die Oppositionspartei stehe, in das aber beispielsweise auch Nichtregierungsorganisationen eingebunden seien, gegen die man auch noch in angemessener Weise vorgehen werde. Bei Menschenrechtsvereinigungen, Bürger- und Umweltgruppen, die sich schon über die vergangenen Jahre hinweg immer weiter eingeschränkt, bedroht und gemaßregelt sahen, lassen solche Aussagen noch mehr die Alarmglocken schrillen.

Hun Sen gehörte zu jenen Ex-Kadern mittlerer Ebene der Roten Khmer, die sich relativ frühzeitig von deren mörderischen Regime lossagten, dem zwischen der Machtübernahme 1975 und Anfang 1979 etwa zwei Millionen Landsleute, rund ein Viertel der damaligen Bevölkerung, zum Opfer fielen. Die Dissidenten marschierten nach den knapp vier Schreckensjahren gemeinsam mit der vietnamesischen Armee als Befreier ein. Und Mitte der 80er Jahre hatte sich Hun Sen gegen einstige Konkurrenten als neue Führungskraft durchgesetzt. Er war es, der 1996 und 1998 mit den verbliebenen Anführern der Roten Khmer einen Amnestie-Frieden aushandelte und später immer wieder deren Anklage vor dem Sondertribunal behinderte.

Nur einmal - Ende der 90er - musste er sich auf Druck der internationalen Gemeinschaft und des damaligen Königs Norodom Sihanouk in eine kurzlebige große Koalition mit der royalistischen Funcinpec, geführt von Prinz Norodom Ranariddh, begeben. Deren Blütezeit ist lange vorbei, heute ist sie nur noch ein Wurmfortsatz, der von Gnaden der CPP überlebt. Die 3,6 Prozent, die die Funcinpec 2013 einfuhr, reichten nicht für ein einziges Mandat. Bald jedoch könnte sie mit mindestens 41 Abgeordneten im Parlament sitzen. Der Auflösungsantrag gegen die CNRP geht auf ihr Betreiben zurück, und sollten die Richter dem stattgeben, wäre sie die größte Profiteurin. Denn bei einem Verbot der einzig nennenswerten Oppositionskraft, so gerade von der Regierungsmehrheit durchs Parlament gejagte Gesetzesergänzungen, würden deren 55 Mandate an die kleineren Konkurrenten verteilt.

Die Mini-Parteien CNP und KEDP - 2013 bei den Stimmen mit 0,58 und 0,29 Prozent unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle - machen bei dem abgekarteten Spiel mit. »Nationales Interesse« wird zur Verteidigung ins Feld geführt. Demgegenüber sehen die Liga für Demokratie (LDP) und die Anti-Armutspartei der Khmer (KAPP), die nur minimal besser abschnitten, die Demokratie in Gefahr und wollen auf die ihnen zustehenden Sitze verzichten. In den Kommunalvertretungen würden alle CNRP-Mandate an die CPP übergehen. Bisherigen Amtsträgern der Opposition hat Hun Sen ein Ultimatum gestellt: Parteiwechsel oder ein fünfjähriges Politikverbot. 60 Kommunalvertreter sind daraufhin zur Regierungsseite übergelaufen.

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