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- Olympische Spiele in Südkorea
Russlands Olympiastart ist fraglich
Die Nationale Antidoping-Agentur bleibt suspendiert, was den Druck auf das IOC erhöht
In knapp drei Monaten werden sich Hunderte Millionen Blicke nach Südkorea wenden. Dann wollen die besten Wintersportler der Welt im Bergstädtchen Pyeongchang um olympische Medaillen kämpfen. Doch für die zahlreichen russischen Sportfans könnten die Spiele uninteressant werden, sollte das Internationale Olympische Komitee (IOC) vorher Russlands Athleten ausschließen. Die Befürworter dieser harten Strafe bekamen am Donnerstag Rückenwind aus Südkoreas Hauptstadt Seoul. Dort entschied die Welt-Antidoping-Agentur WADA, dass die russische Behörde RUSADA weiterhin als nicht regelkonform eingestuft wird und daher suspendiert bleibt.
»Wir haben nicht das Recht zu entscheiden, wer an internationalen Wettbewerben teilnehmen darf. Das darf nur der Veranstalter«, sagte WADA-Präsident Craig Reedie in Seoul. »Wir bedauern es, dass die RUSADA bis jetzt nicht regelkonform ist. Technisch gesehen haben sie große Fortschritte gemacht. Aber wir haben zwei Punkte, die noch nicht erfüllt sind. Und davon können wir nicht abrücken.«
Das IOC will voraussichtlich Anfang Dezember darüber befinden, ob - und wenn ja wie - Russland für die Manipulationen von Dopingproben bei den Spielen 2014 in Sotschi belangt wird. Sechs Skilangläufer und -läuferinnen, darunter der ursprüngliche Sieger des 50-Kilometer-Laufs, Alexander Legkow, erhielten jüngst einen Olympiabann auf Lebenszeit, und es wird mit ähnlichen Urteilen für weitere Athleten aus anderen Sportarten gerechnet. Ob Sportler des ganzen Landes bestraft werden, hängt davon ab, ob die Entscheidungsträger des IOC um Präsident Thomas Bach dem Schluss von Sonderermittler Richard McLaren folgen, dass es ein staatlich gestütztes Doping- und Verstuschungsprogramm in Sotschi gab.
Der Druck auf Bach, dem oft eine zu große Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt wird, ist enorm. Russlands eigene Untersuchungsbehörde mag McLarens Berichte als widerlegt erachten, doch der kanadische Ermittler hatte mit Listen, E-Mails, analysierten Proben und Zeugenaussagen ein sehr detailliertes Bild des Betrugs gezeichnet. WADA und IOC schenkten seinen Ausführungen bislang immer Glauben - ebenso wie Legkows Anwalt, der jedoch die individuelle Schuld seines Mandanten als unbewiesen ansieht.
Für eine Aufhebung der RUSADA-Suspendierung fordert die WADA, dass auch Russlands Politiker und Sportfunktionäre die Erkenntnisse McLarens nicht weiter anzweifeln. Außerdem sollen unter Verschluss gehaltene Dopingproben endlich internationalen Ermittlern zu Nachtests ausgehändigt werden. Nach der Suspendierung im Jahr 2015 waren insgesamt 31 Auflagen erteilt worden, von denen die RUSADA mittlerweile fast alle erfüllt hat.
Das IOC hat bereits durchblicken lassen, dass es auch eine institutionelle Strafe geben wird. Zu schwach wäre wohl das Signal, wenn die Köpfe des Betrugssystems unbeschadet davonkämen, während Athleten gesperrt werden, die vielleicht gar nicht davon wussten, dass jemand ihre Proben heimlich austauschte. Also wurden in den vergangenen Monaten Testballons gestartet, um zu sehen, welche Strafe genügend Anhänger bekommt, ohne die wichtige Sportnation Russland zu sehr zu erzürnen. Eine saftige Geldstrafe, für die das IOC jüngst die Grundlage geschaffen hat, erscheint vielen angesichts des Ausmaßes der Manipulation zu milde. Russische Politiker hingegen drohten mit dem Boykott der Spiele, wenn ihre Athleten nicht unter eigener Flagge starten dürfen oder ihre Hymne bei Siegerehrungen nicht abgespielt wird. Auf ein Entgegenkommen kann das IOC also nicht hoffen. Das zeigte auch die Reaktion vom Präsidenten des russischen Olympiakomitees am Donnerstag: »Wir akzeptieren, dass unser Antidopingsystem versagt hat, aber wir verneinen, dass es ein staatlich gestütztes Dopingsystem gegeben hat«, sagte Alexander Schukow.
Das Internationale Paralympische Komitee (IPC) hatte für Russlands Teilnahme an den Paralympics 2018 ursprünglich eine Aufhebung der RUSADA-Sperre vorausgesetzt. Nach dem Beschluss vom Donnerstag bleibt der russische Verband gesperrt. Eine IPC-Task-Force will im Dezember das Thema nun aber erneut diskutieren.
Das IOC will in der Angelegenheit selbst ein Urteil fällen: »Wenn das Exekutivkomitee über die Teilnahme russischer Athleten in Pyeongchang entscheidet, wird es alle Umstände in Betracht ziehen. Einschließlich aller Maßnahmen, um gleiche Bedingungen zu gewährleisten«, teilte ein IOC-Sprecher am Donnerstag nebulös mit. Leichter ist die Entscheidung nicht geworden.
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