Solidaritätsbesuch aus Brüssel
Weimarer Coca-Cola-Beschäftigte wehren sich gegen die drohende Schließung des Werkes
Die Niederlassung von Coca-Cola soll zum 1. März 2018 aufgegeben werden. Betroffen wären 178 von derzeit 223 Arbeitsplätzen. Lediglich der Außendienst steht derzeit nicht auf der Streichliste. Der Betrieb gilt als zweitgrößter Gewerbebetrieb Weimars. Die Abbaupläne stehen im Zusammenhang mit einem anhaltenden Restrukturierungsplan der Konzerntochter Coca-Cola European Partners, dem weitere Standorte bundes- und europaweit zum Opfer gefallen sind oder fallen sollen. Für besonderen Ärger sorgt in der Thüringer Stadt die Tatsache, dass der weltumspannende Getränkekonzern den Betrieb in den 1990er Jahren errichten und den Bau mit großzügigen öffentlichen Geldern subventionieren ließ und jetzt offenbar die Zelte wieder abreißen will.
Sichtbarer Ausdruck des Widerstands der Belegschaft war diese Woche eine Betriebsversammlung, die auf der Straße fortgesetzt wurde. Die Beschäftigten formierten sich mit Unterstützung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zu einem Demonstrationszug zur Stadtmitte und bekamen dabei viel Zuspruch von Passanten und Menschen, die aus Solidarität angereist waren. Den weitesten Weg hatten zwei Gewerkschafter aus dem Brüsseler Coca Cola-Werk auf sich genommen. Sie waren um vier Uhr früh gestartet und wurden von ihren Kollegen in Weimar begeistert begrüßt. Beschäftigte des Erfurter Siemens-Generatorenwerks, die sich gegen einen drohenden Verkauf ihrer Fabrik wehren und bang in die Zukunft blicken, schlossen sich ebenso an wie Oberbürgermeister Stefan Wolf (SPD) und Landespolitiker wie Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Arbeits- und Sozialministerin Heike Werner (LINKE). Für die NGG war ihr Vizechef Claus-Harald Güster aus Hamburg angereist. Sandro Witt vom DGB Hessen-Thüringen sprach sich für einen branchenübergreifenden Schulterschluss im Abwehrkampf gegen Entlassungen aus.
Die Schließung sei »noch keine beschlossene Sache«, so Tiefensee, der »nichts unversucht lassen« wolle, um das Werk zu retten. Wolf erinnerte daran, dass neben den Arbeitsplätzen im Coca Cola-Werk viele weitere Jobs in der Stadt mittelbar von einer drohenden Schließung betroffen seien. Der Thüringer NGG-Sekretär Jens Löbel verlangte eine ernsthafte Diskussion über Alternativen zur Schließung. »Bisher haben wir aber nicht das Gefühl, dass es Coca-Cola wirklich ernst nimmt«, so der Gewerkschafter. Nun sollen Betriebsrat und Gewerkschaft nach einem Gespräch Tiefensees mit der Geschäftsleitung Einblick in die Geschäftsbücher bekommen. »Hoch die internationale Solidarität«, machte der ehemalige NGG-Bundesstreikbeauftragte Jürgen Hinzer den Betroffenen Mut und verlas eine Solidaritätserklärung der französischen Gewerkschaft CGT aus Paris. Diese Parole skandierten die Demonstranten immer wieder.
»Coca Cola killt Mehrweg und Arbeitsplätze«, stand auf einem Plakat. Der Konzern hatte vor geraumer Zeit angekündigt, die Abfüllung in Mehrwegflaschen aufzugeben und stattdessen nur noch Einwegflaschen zu verwenden. Für die NGG ist dies wegen der nachteiligen Folgen für Arbeitsplätze und Umwelt fragwürdig. Leider habe die Bundesregierung bis heute keine wirkungsvollen Schritte zur Stabilisierung der sogenannten Mehrwegquote getroffen, bemängelte Güster. Auch das neue, ab 2019 geltende Verpackungsgesetz werde den Niedergang von Mehrwegverpackungen »sicher nicht verhindern, weil es bei Nichteinhalten der Mehrwegquote keinerlei Sanktionen vorsieht«, so der Gewerkschafter.
Sollte es bei dem Stilllegungsbeschluss bleiben, so könnten die Weimarer demnächst zur Kundgebung vor der Londoner Europazentrale von Coca-Cola European Partners aufbrechen, kündigte Güster an. Jürgen Hinzer hat in seiner Gewerkschaftslaufbahn bereits viele Belegschaften zum Protest vor internationalen Konzernsitzen ermutigt. »Wer heute sagt zum Kampfe Nein, wird morgen ohne Arbeit sein«, so sein Motto.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.