- Wirtschaft und Umwelt
- Schlecker-Pleite
Die Drogeriekönige sollen in den Knast
Am Montag wurden die Plädoyers im Schlecker-Prozess gehalten - Staatsanwaltschaft sieht besonders schweren Bankrott als erwiesen an
Ab wann hat Anton Schlecker gewusst, dass sein Unternehmen und damit rund 25 000 Arbeitsplätze nicht mehr zu retten sind? Das ist die Kernfrage vor dem Landgericht Stuttgart, das seit März dieses Jahres gegen den einstigen »Drogeriekönig« und seine Kinder Lars und Meike verhandelt.
Am Montag standen die Plädoyers an. Die Staatsanwaltschaft, die bei Anton Schlecker nach wie vor den Vorwurf des besonders schweren Bankrotts nachgewiesen sieht, forderte eine Haftstrafe von drei Jahren. Für Sohn Lars beantragte sie eine Haftstrafe in Höhe von zwei Jahren und zehn Monaten, für seine Schwester Meike zwei Jahre und acht Monate wegen Beihilfe. »Die Angeklagten handelten vorsätzlich. Sie wussten und wollten aus ganz eigenem Interesse, dass die Vermögensverschiebung stattfindet. Sie handelten aus Gewinnsucht«, zitiert die »Südwestpresse« die Staatsanwaltschaft. Das Urteil wird für kommenden Montag erwartet.
So soll Schlecker senior bewusst Geld aus seinem Unternehmen beiseite geschafft haben, obwohl er schon Ende 2010 von der drohenden Insolvenz wusste. Ab diesem Zeitpunkt hätte er keinen Cent mehr aus der Firma abziehen dürfen. Stattdessen wurde das Wohnhaus der Familie auf den Namen seiner Frau Christa übertragen, zudem habe Anton Schlecker überhöhte Stundensätze an die Logistik-Tochterfirma LDG gezahlt, die seinen Kindern gehört, und die Gewinnausschüttungen erhöht. »Ziel war es, Gelder dem Unternehmen seiner Kinder zuzuführen, das eigentlich der Insolvenzmasse zugefallen wäre«, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Dabei habe Schlecker eine hohe kriminelle Energie bewiesen. Auch seine Kinder hätten seitdem gewusst, dass »die Rettung auf sehr unsicheren Füßen stand«, hieß es im Plädoyer. Insgesamt gehen die Staatsanwälte noch von einer Schadenssumme von gut 16 Millionen Euro aus.
Der 73-Jährige bestreitet die Vorwürfe. Sein Anwalt sagte während seines Plädoyers, Schlecker habe erst Mitte 2011 eine »Ahnung« von der drohenden Zahlungsunfähigkeit bekommen. Auch dann habe er noch weiter für sein Unternehmen kämpfen wollen. Reisen und Geschenke an seine Kinder, wie sie die Staatsanwälte ihm für die Zeit nach 2010 vorwarfen, habe es zudem davor auch gegeben. Außerdem habe Schlecker weiterhin mit seinem Privatvermögen für den Konzern gehaftet, obwohl es für ihn ein Leichtes gewesen wäre, sein Vermögen im Ausland in Sicherheit zu bringen. Mittlerweile befindet sich Anton Schlecker in Privatinsolvenz.
-
/ Christoph RufPolitik wie im SupermarktDie Begüterten müssten mehr zur Sicherung von Staat und Sozialsystem beitragen, meint Christoph Ruf
-
/ Hagen Jung»Lila Bäcker« will über 70 Filialen schließen2700 Beschäftigte stehen bei der Kette in Lohn und Brot
-
Haft für Lars und Meike SchleckerDrogeriegründer Anton Schlecker erhält Bewährungsstrafe / ver.di: Verurteilte haben sich öffentlich selbst bemitleidet und gleichzeitig Millionen Euro aus dem Geschäft verschwinden lassen
Im Oktober dann hatten Schlecker und seine Kinder weitere vier Millionen Euro an den Insolvenzverwalter gezahlt. Lars und Meike steuerten je eine Million Euro bei, Schleckers Frau überwies auf Bitten ihres Mannes zwei Millionen Euro. Er selbst, sagte Anton Schlecker im Gericht, habe durch die Insolvenz sein gesamtes Vermögen verloren. Lars Schlecker sprach in einer persönlichen Erklärung von »Schadenswiedergutmachung«. 2013 hatte die Familie schon einmal gut zehn Millionen Euro an den Insolvenzverwalter gezahlt. Das Geld fließt in die Insolvenzmasse, insgesamt haben die Gläubiger mehr als eine Milliarde Euro an Forderungen angemeldet. Einen Teil davon will der Verwalter über Schadenersatzklagen gegen einstige Lieferanten eintreiben.
Für die frühere Schlecker-Betriebsratschefin wäre eine Entschuldigung indes wichtiger als eine Verurteilung. »Die Arbeitsplätze kommen davon nicht wieder«, sagte Christel Hoffmann am Montag und erklärt: »Was ändert es für uns, wenn die Familie Schlecker ins Gefängnis muss? Gar nichts.« Sie wünsche sich stattdessen eine »aufrichtige Entschuldigung« und nicht nur »eine Äußerung des Bedauerns«. Mit Agenturen
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.