Sieben Mandate auf einen Streich

Provisorische Regierung trifft weitreichende Entscheidungen ohne ausreichende Parlamentskontrolle. Beispiel Bundeswehr-Auslandseinsätze

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Zweite Sitzung des neu gewählten Bundestages. Es ging um die Verlängerungen von sieben Auslandseinsätzen, die im Kabinett beschlossen worden waren. Nun braucht die Regierung das Einverständnis des Parlaments. Als Ursula von der Leyen (CDU), die geschäftsführende Verteidigungsministerin, sagte, dass »Deutschland für Verlässlichkeit steht«, kam nur müder Beifall auf. Als von der Leyen den Satz wiederholte und ob der ausbleibenden Regierungsbildung den Ernst der Lage anspricht, hört man ihr zu.

Auch Außenminister Sigmar Gabriel mahnte das Parlament, »keine Belege dafür zu schaffen, dass die Verlässlichkeit Deutschlands in Gefahr ist«. Gabriel lobte insbesondere den Einsatz gegen den Islamischen Staat (IS) und betonte Fortschritte bei dessen Bekämpfung. Naturgemäß hat die Opposition eine andere Sicht auf die Kriegseinsätze. Die AfD-Fraktion klatschte als die LINKE-Abgeordnete Sevim Dagdelen von einem »Desaster« in Syrien spricht.

Problematischer als der Luftwaffeneinsatz gegen den IS könnte der Einsatz »Resolute Support« werden. Das Afghanistan-Mandat soll - wie alle anderen - erst einmal um drei Monate verlängert werden. Als man diesen Zeitraum vereinbarte, ging man freilich davon aus, dass es möglichst bald eine ordentliche Regierung in Berlin geben werde. Die kann ja dann substanzielle Mandatsanträge vorlegen. Dachte man.

Aufgabe der Bundeswehr in Afghanistan ist es, dortige Sicherheitskräfte auszubilden, zu beraten und zu unterstützen. Der deutsche Verantwortungsbereich liegt im Norden des Landes. Dort führt man auch Soldaten aus 18 anderen Nationen und betreibt den militärischen Teil des Flugplatzes in Masar-i-Scharif. Auch übernimmt die Bundeswehr taktische Lufttransporte.

Bis zu 980 deutsche Soldatinnen und Soldaten mit entsprechender Ausrüstung können eingesetzt werden. Da jedoch die Kraft der Taliban und anderer Aufständischer größer wird, wächst die Notwendigkeit eigener Kampfbereitschaft. Zudem machen die USA, die ihre Truppenstärke um mindestens 3000 Soldaten erhöhen, Druck auf deutsche Mehrleistungen. Noch konnte von der Leyen solche Begehrlichkeiten abwehren. Sie verwies darauf, dass Deutschland erst im vergangenen Jahr mehr Soldaten an den Hindukusch geschickt hat. Nicht von ungefähr hat die Ministerin in ihrer Bundestagsrede vor allem über politische Forderungen an die Regierungen in Afghanistan und Pakistan sowie die Regionalmächte vor Ort geredet. Doch im kommenden Frühjahr stehen in Afghanistan erneut Wahlen an. Niemand zweifelt daran, dass die Kämpfe deshalb an Intensität zunehmen.

Es fragt sich, wie handlungsfähig die provisorische deutsche Regierung in so einer Situation sein wird. Zumal die parlamentarische Kontrolle weitgehend ausfällt. Dagegen hat beispielsweise der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) in einem Tagesschau-Interview die zügige Einsetzung wichtiger Parlamentsgremien gefordert. Es stehe nicht im Belieben von Parlamentsmehrheiten, »ob man einen Verteidigungsausschuss einrichtet oder einen Allround-Ausschuss, der einen Teil der Aufgaben nebenbei miterledigt«. Bartels betonte die Notwendigkeit einer wirksamen Kontrolle der Streitkräfte. Darauf habe die Bundeswehr auch ein verfassungsmäßiges Recht.

Es gibt Befürchtungen, dass der Parlamentsvorbehalt auch bei einem anderem Thema ausgehebelt werden soll. Es geht um die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO), also um eine neue Qualität der Verteidigungskooperation innerhalb der EU. Die Linksfraktion meint, dass »die geschäftsführend amtierende Bundesregierung keine politische Legitimation besitzt, ohne Beteiligung und Mitwirkung des Bundestags auf EU-Ebene Entscheidungen zu treffen, die derart weitreichende und verbindliche Verpflichtungen für die Zukunft beinhalten«. Die Linksfraktion will, dass der Bundestag die Teilnahme Deutschlands an der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit ablehnt und reichte einen entsprechenden Antrag ein. Er wurde in den Hauptausschuss überwiesen.

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