An jüdischen Schulen tobt der Arbeitskampf

GEW fordert Tarifvertrag für angestellte Lehrer / Gemeindeleitung kritisiert Streikaktionen als »einseitig«

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

»Tarifvertrag jetzt!« Unter diesem Motto protestierten am Mittwoch rund 50 Lehrer der Schulen der Jüdischen Gemeinde vor dem Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn in Mitte. Teilnehmer des Protestzugs, der von der Oranienburger Straße bis vor das Schulgebäude in der Großen Hamburger Straße führte, hatten Plakate mit Aufschriften wie »Sicherheit durch Tarif« oder »Keinen weiteren Exodus von Lehrern der Heinz-Galinski-Schule« dabei. Die Beschäftigten waren dem Streikaufruf der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) gefolgt. Mit der Arbeitsniederlegung, die an diesem Donnerstag vor der Heinz-Galinski-Schule fortgesetzt werden soll, will die Gewerkschaft ihrer Forderung nach einem Tarifvertrag für die angestellten Lehrkräfte Nachdruck verleihen.

»Unser Ziel sind verlässliche, verbindliche und transparente Regelungen der Arbeits- und Entgeltbedingungen«, sagte der GEW-Tarifverantwortliche Udo Mertens. Man fordere eine Bezahlung, die sich an dem Niveau anlehnt, das auch für die Tarifbeschäftigten des Landes Berlin gilt. Die Leitung der Jüdischen Gemeinde weigere sich seit Jahren, Gespräche mit der Gewerkschaft zu führen, sagte Mertens weiter. Briefe blieben unbeantwortet, der Gemeindevorsitzende, Gideon Joffe, lasse sich am Telefon verleugnen. »Ich finde es sehr schade, dass die Leitung der Gemeinde nicht einmal so viel Größe hat, unsere Anfragen zur Aufnahme von Tarifverhandlungen zu beantworten«, betonte Mertens. Die Lehrer der Schulen der Jüdischen Gemeinde verlangen bereits seit 2014 erfolglos einen Tarifvertrag mit der GEW. In dieser Zeit sind die Beschäftigten sechsmal in den Warnstreik getreten.

Ilan Kiesling, Sprecher der Jüdischen Gemeinde, kritisierte die Streikaktionen als einseitig. »Keinem anderen privaten Schulträger ist so viel Aufmerksamkeit seitens der Gewerkschaft vergönnt«, sagte Kiesling. Die Schulen der Jüdischen Gemeinde würden »beständig von der Gewerkschaft mit Streikaufrufen überzogen und angebliche Missstände dort mit großem Eifer angeprangert.« Von den rund 150 Berliner Schulen in privater Trägerschaft habe die GEW nur mit einer Handvoll Trägern einen Tarifvertrag abgeschlossen.

Für die Jüdische Gemeinschaft in Deutschland gelten ähnlich wie für die großen Kirchen Sonderregelungen beim Arbeits- und Tarifrecht. In Berlin hat die GEW mit der evangelischen Kirche und der Privaten Kantschule entsprechende Verträge ausgehandelt. Mit den Schulen in Trägerschaft der katholischen und der islamischen Gemeinde gibt es bisher keine Tarifverträge. Es sei daher nicht nachvollziehbar, sagte Gemeindesprecher Kiesling, warum die GEW sich seit Jahren mit wiederholten Streikaufrufen gerade an der Jüdischen Gemeinde »abarbeitet«.

Heike Zeisig, GEW-Expertin für Angestelltenpolitik, wies die Kritik der Gemeindeleitung zurück und sprach von einem »Ablenkungsmanöver«. »Unsere Aktionen entsprechen dem Wunsch der in der GEW organisierten Lehrer«, sagte Zeisig und verwies auf den hohen Organisationsgrad der Gewerkschaft an der Heinz-Galinski-Schule und dem Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn. Zeisig rief die Gemeindeleitung auf, endlich an den Verhandlungstisch zu kommen. »Wir wollen eine inhaltliche Auseinandersetzung über die Forderung der Lehrkräfte nach einem einheitlichen Tarifvertrag«, sagte Zeisig. Mertens fügte hinzu: »Sollte es nicht bald zu einer Einigung bekommen, werden sich weitere Lehrer nach anderen Stellen umsehen. Das könnte zu einem großen Problem für die jüdischen Schulen werden.«

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