Kiews Korruptionsjäger jagen sich gegenseitig

In der Ukraine fälschen zur Kontrolle eingerichtete Organe inzwischen offenbar gleich selbst / Anklage einer Abteilungsleiterin

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war ein bemerkenswerter Auftritt, der Mitte November für große Schlagzeilen sorgte. Hanna Solomatyna, Chefin der Abteilung für finanzielle Kontrolle bei der ukrainischen Nationalen Agentur gegen Korruption (NAPK), warf der Führung der Agentur auf einer Pressekonferenz am 14. November Fälschungen und Korruption vor. »Es ist unglaublich, dass dies ausgerechnet bei einer Behörde passiert, die eine der am meisten gefeierten Reformen ins Leben ruft«, sagte Solomatyna.

Konkret meinte sie damit die sogenannte elektronische Steuererklärung - tatsächlich eine der wenigen Reformen seit der Maidan-Revolution, die von der ukrainischen Öffentlichkeit mehrheitlich positiv bewertet wird. Dabei geht es darum, dass ukrainische Beamte nicht nur ihre Einkünfte offenlegen müssen - ihre Steuererklärungen sind zudem im Internet für alle sichtbar. Das sollte zum einen gesellschaftliche Transparenz schaffen, zum anderen die Arbeit der Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft erleichtern. Doch gerade diese Offenlegungen sind laut Solomatyna Gegenstand der Korruption.

»Für das System der elektronischen Deklaration wurde so viel Geld ausgegeben. Sie wird aber massiv für Manipulationen genutzt«, betonte sie. »Die Chefin der NAPK beteiligt sich persönlich an der Fälschung von Prüfungen und Erklärungen. Ich habe von ihr persönlich Befehle bekommen, dass der eine oder anderer Abgeordneter ›sauber‹ ist. Außerdem wurden Kollegen und ich mehrmals in die Präsidialamtsverwaltung geladen.« Es sind schwerwiegende Vorwürfe, die Solomatyna in erster Linie gegen die NAPK-Chefin Natalja Kortschak äußert.

Diese besteht allerdings auf ihrer Unschuld und wollt vor Gericht ziehen. Das aber nahm ihre Klage nicht an. Zugleich kündigte Solomatyna ihren Rücktritt an, weiteres Führungspersonal der Agentur soll mit ihr gehen. Unklar bleibt, welche Folgen ihre Vorwürfe für die NAPK und die Korruptionsbekämpfung in der Ukraine haben werden. Hanna Solomatyna zeigt sich jetzt öffentlich nur umringt von fünf Leibwächtern.

Neben der NAPK beschäftigen sich noch zwei neu gegründete Strukturen mit der Korruption in der Ukraine. Sie pflegen alles andere als glänzende Beziehungen miteinander. Am Wichtigsten ist dabei das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU), das eigentliche Korruptionsfälle ermitteln soll. Seit dem 20. November hat das NABU sogar noch mehr Macht: Während die Staatsanwälte einen Teil ihrer Befugnisse verlieren, werden NABU-Inspektoren ihre Arbeit bei Korruptionsfällen quasi übernehmen. Doch gerade jetzt wird das NABU und seine Führung stark vom politischen Kiew angegriffen.

Am 16. November eröffnete die Generalstaatsanwaltschaft, die von der Reform direkt betroffen ist, eine Ermittlung, bei der NABU-Chef Artem Sytnik im Vordergrund steht. Angeblich soll Sytnik dritten Personen Details über aktuelle Verfahren erzählt und damit Staatsgeheimnisse sowie zwei Gesetze verletzt haben. Das meint zumindest der ukrainische Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko, der als Vertrauter des Präsidenten Petro Poroschenko gilt. Gleichzeitig hat Anton Geraschtschenko, Berater des Innenministers Arsen Awakow, eine Aufnahme veröffentlich, auf der Sytnik Journalisten intern über den Stand der Ermittlungen informiert.

Da Poroschenko und Awakow schon lange einen politischen Konflikt austragen, ist es bemerkenswert, dass das NABU gleich von beiden streitenden Seiten angegriffen wird. Als auffällig wir vermerkt, fass diese Ermittlungen, die Luzenko übrigens bestreitet, gerade zu dem Zeitpunkt bekannt wurden, als Awakows Sohn kurzfristig wegen angeblicher Korruption festgenommen wurde. Ein Zufall scheint ausgeschlossen zu sein.

Artem Sytnik gehört zu jenen, die offen über eine enge Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung des Präsidenten und der Anti-Korrupions-Agentur spricht. »Die NAPK wird von der Umgebung des Präsidenten kontrolliert. Daher schließe ich nicht aus, dass ich aus dieser Ecke angegriffen werde«, sagt der NABU-Chef.

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