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Im Rausch der See
John Steinbeck unterwegs an kalifornischen Küsten
»Wir wollten in dem Wissen aufbrechen, dass wir für immer ein Teil der Cortez-See sein werden«, schreibt John Steinbeck zu Beginn seines »Logbuchs«, das 1941 unter dem Titel » The Sea of Cortez« in den USA erschien. Da war er schon als Autor der Romane »Von Mäusen und Menschen« und »Früchte des Zorns« zum ebenso gefeierten wie umstrittenen Chronisten der Großen Depression geworden.
• John Steinbeck: Logbuch des Lebens.
A. d. Am. v. Henning Ahrens. Mare Verlag, 368 S., Leinen i. Schuber, 32 €.
Was hatte der Pulitzer-Preisträger danach auf einem Ringwaden-Kutter an der Baja California gesucht? Steinbeck führt darüber gewissenhaft Buch: Fische, Krebse, Seesterne und jede Menge Nacktschnecken, die er gemeinsam mit dem Meeresbiologen Dr. Ed Ricketts sammelte und präparierte. Dafür waren sie im Frühjahr 1940 von Monterey bis an die Südspitze Kaliforniens gefahren und hatten in sechs Wochen mehr als viertausend Seemeilen zurückgelegt.
Doch es ging den Freunden nicht nur um zoologische Forschungsergebnisse, sondern auch um soziale und naturphilosophische Erkenntnisse. Beiden war klar, dass ihre Expedition sowohl im Ökosystem als auch in der indianischen Kultur Spuren hinterlassen würde: »Wir nehmen etwas mit, doch wir lassen auch etwas da.« Diese Einsicht war damals neu und gehörte zu den Überzeugungen des charismatischen Dr. Ricketts, dem Steinbeck nach dessen frühem Tod in »Die Straße der Ölsardinen« ein literarisches Denkmal setzte.
Ihre Beobachtungen klingen noch heute weitsichtig: »Fünfzig Meilen entfernt fischen japanische Krabbenfischer mit riesigen Schleppnetzen Tonnen von Krabben, dezimieren diese Art so rasant, dass sie sich vielleicht nie mehr erholt, und zerstören das ökologische Gleichgewicht der ganzen Region. Für die Welt ist das nicht weiter wichtig. Ein paar Tausend Meilen entfernt fallen schwere Bomben, und die Sterne kümmert das nicht. Entweder hat nichts davon eine Bedeutung - oder alles.« Noch war der Donner des Zweiten Weltkriegs an dieser Küste kaum zu hören, aber der Krieg gegen die Weltmeere hatte schon begonnen. Steinbeck erzählt auch, welche Folgen dieser Krieg für die indianischen Einwohner zwischen Bahia Tortugas und La Paz hat, die hauptsächlich von der Fischerei leben, und beschreibt sie und ihre Kinder voller Verständnis und Mitgefühl.
Die Sprache dieses »Logbuchs des Lebens« ist ebenso präzise wie poetisch und zeigt, dass Wissenschaft und Kunst wunderbare Symbiosen eingehen können - wie der Einsiedlerkrebs mit der Seerose. Das macht die Lektüre in der Übertragung von Henning Ahrens zu einem einzigartigen Genuss. John Steinbeck und Ed Ricketts waren auch für ihre Mischgetränke berühmt, die sie im Labor an der Ocean View Avenue aus hochprozentigen Destillaten zusammenmixten. Dieses Buch ist ein großartiger Cocktail aus Meeresfrüchten, Whisky, schwarzem Humor und pazifischer Brandung. Es verschafft trotz ernüchternder Einsichten einen unvergesslich ozeanischen Rausch.
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