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Strike the sails

Marcus Rediker über Gesetzlose des Atlantiks

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie populär Piraten und die Gesetzlosen der Meere sind, belegen Filme wie »Fluch der Karibik«, dessen fünfter Teil unlängst in unsere Kinos kam. Die Begeisterung für Freibeuter und proletarische Helden der Weltmeere ist aber kein Phänomen unserer Zeit, vielmehr gibt es die schon seit mehr als zweihundert Jahren, wie der Sozialhistoriker Marcus Rediker von der Universität Pittsburgh in seinem Buch »Gesetzlose des Atlantiks« zeigt.

• Marcus Rediker: Gesetzlose des Atlantiks.
Mandelbaum-Verlag, 310 S., br., 18 €.

Rediker beschäftigt sich seit über dreißig Jahren mit Piraterie, Revolten auf See, Sklavenaufständen, den städtischen Mobs und den sog. »buntscheckigen Haufen«, die maßgeblich an den revolutionären Erhebungen rund um den Atlantik vom 17. bis zum 19. Jahrhundert beteiligt waren. Seine überaus spannend geschriebenen Bücher wurden schon mehrfach ausgezeichnet. Der nun von ihm auf Deutsch erschienene Band fasst verschiedene Aspekte der Kämpfe des transatlantischen Proletariats der Schiffe und Häfen in einem panoramaartigen Überblick zusammen.

Rediker erkundet in seinem Buch den Atlantischen Ozean als historischen Raum, in dem die Hochseeschifffahrt ab dem 15. Jahrhundert die kapitalistische Warenzirkulation ermöglichte. Das Segelschiff war damals die modernste Maschine der Welt, deren Funktionieren disziplinierte Arbeitsvorgänge wie in einer Fabrik voraussetzte. Damit einher ging die Bildung eines Proletariats, das in der Geschichtsschreibung lange Zeit keinerlei Berücksichtigung fand. Dabei spielte es in der revolutionären Umbruchphase der frühen Neuzeit eine erhebliche Rolle für politische Prozesse, etwa den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, wie Rediker zeigt.

Neben den Seeleuten, die in multiethnischen Besatzungen auf den Schiffen um die ganze Welt segelten, waren es vor allem auch die Mobs und »buntscheckigen Haufen«, die in den Hafenstädten und Metropolen regelmäßig an Aufständen beteiligt waren. Das reichte von spontanen Sozialprotesten in amerikanischen Städten gegen neue Steuererhebungen bis hin zu organisierten Aktionen von Seeleuten. So legten 1768 Seeleute aus Protest gegen Lohnkürzungen den Londoner Hafen lahm. Durch das Streichen ihrer Segel realisierten sie den ersten »Streik« (benannt nach »strike the sails«, Segel streichen), der schon bald in der Neuen Welt und anderswo Nachahmer fand.

Besondere Aufmerksamkeit widmet Rediker dem Sklavenhandel und der Sklaverei, die ein bestimmender Faktor in der atlantischen Welt der frühen Neuzeit waren. Nicht wenige Piraten waren befreite Sklaven, wenngleich auch der Sklavenhandel mitunter von Piraten mit organisiert wurde. Recht ausführlich analysiert Rediker den Aufstand auf dem Schiff »Amistad«, der 1839 stattfand und den Steven Spielberg 1997 als Hollywood-Blockbuster ins Kino brachte. Der Prozess gegen die Sklaven, die revoltiert und sich befreit hatten, war von großer Bedeutung für die abolitionistische Bewegung in den USA, die für die Abschaffung der Sklaverei kämpfte.

Neben dem politischen Kontext zeigt Rediker auch, wie der Fall damals in die Populärkultur Einzug hielt, wurde die Geschichte doch schon wenige Wochen nachdem die ersten Zeitungsmeldungen dazu erschienen waren, auf eine Theaterbühne gebracht. Wobei die positive Wahrnehmung der »Amistad«-Rebellen in Büchern, Flugschriften und auf der Bühne mit dem damaligen rassistischen Grundkonsens kontrastierte. Das hat wohl auch damit zu tun, dass den angeblich zu Piraten gewordenen Sklaven, die sich selbst befreit hatten, Handlungsmacht zugeschrieben wurde.

Die von Marcus Rediker präsentierten Geschichten dieser und anderer historischer Akteure auf See sind für ein breites Leserpublikum gedacht und dürften bei Jung und Alt Neugier und Interesse wecken.

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