Leicht verdientes Geld

  • Robert Rescue
  • Lesedauer: 3 Min.

»Hast du Interesse, etwas Geld zu verdienen?«, fragte mich der Chef des Restaurants. »Du könntest Werbung für mich machen. Nicht Flyer verteilen oder so was. Du müsstest nur fünfmal am Tag den Namen meines Restaurants nennen. Einfach nur den Namen, nichts weiter. Du bist doch bestimmt viel im Kiez unterwegs und triffst da Leute. Ich zahle dir für jeden Tag fünf Euro.«

Ich willigte ein, zumal es nach einem einfachen, wenn auch ungewöhnlichen Job aussah. Meist erledigte ich die Aufgabe beim Einkaufen. »Das macht zehn Euro achtundneunzig«, sagte die Frau an der Kasse. »Schröders«, sagte ich und hielt ihr einen Zwanzig-Euro-Schein hin. Sie schaute einen Moment lang merkwürdig, bevor sie mir das Restgeld auszahlte.

In meiner Stammkneipe nutzte ich beispielsweise an vollen Abenden das Anstehen am Klo. »Schröders«, sagte ich zu dem Wartenden vor mir. Er drehte sich zu mir um. Sein Blick war vernebelt und er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. »Hä?« - »Nichts weiter«, entgegnete ich. »Das war Werbung. Du bist dran.«

Der Chef des Restaurants hielt sich an seinen Teil der Abmachung. Er zahlte mir monatlich hundertfünfzig Euro in bar. Leicht verdientes Geld. Wenn sich mal keine Gelegenheit ergab, nach draußen zu gehen, postete ich auch auf Facebook. Beim ersten »Schröders« gab es tatsächlich drei Likes, aber vermutlich nur, weil die Leute nicht verstanden, was es bedeuten soll und das eben nett fanden. Die nächsten Male schon reagierte niemand mehr darauf. Aber das konnte mir egal sein. Hauptsache war doch, ich erfüllte meine Aufgabe.

Bis vor Kurzem nutzte ich auch das Zusammensein mit meiner Freundin dazu, für das Restaurant zu werben. Wir saßen beim Abendessen. »Schröders.« Sie ließ das Besteck fallen. »Wie oft heute schon?« - »Zwei Mal.« - »Dann mach jetzt den Rest, damit ich es hinter mir habe.« - »Schröders, Schröders, Schröders.« - Meine Freundin schwieg. »Wollen wir denn mal wieder hingehen?«, fragte ich. - »Ja. Onkel Wolfgang hat nächste Woche Geburtstag und wollte uns zum Essen einladen. Ich habe ihm gesagt, er soll im …« - »Schröders.« - »Ich weiß, wie der verdammte Laden heißt! Er soll da anrufen und einen Tisch reservieren. Von dir verlange ich, dass du die Werbung unterlässt, wenn wir uns sehen.«

Gelegentlich lief ich die Müllerstraße rauf und runter und sagte hier und da den Namen. Die Leute dachten wohl, ich sei so ein Irrer, der vor sich hinredet. Manchmal nahm ich auch das Handy und tat so, als würde ich telefonieren.

Gestern stand ich wieder am Tresen. Ich sprach mit einem Typen über die Gentrifizierung im Bezirk, als ich mit einem Mal sagte: »Schröders.« Mein Gegenüber reagierte nicht überrascht. Er lächelte kurz und erwiderte dann: »Konnopke.« Ich war irritiert. »Das eben war nicht mein Nachname«, erklärte ich. Wieder lächelte mein Gegenüber: »Meiner auch nicht.«

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