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Putsch zur Annäherung im Donbass

Richtungsweisender Machtwechsel in der »Volksrepublik Luhansk«

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.

Die von prorussischen Separatisten kontrollierte »Volksrepublik« Luhansk hat eine turbulente Woche hinter sich. Plötzlich hatten am 21. November Bewaffnete ohne Kennzeichen das Zentrum der Stadt besetzt sowie die wichtigsten administrativen Gebäude blockiert. Lange war es unklar, was sich vor Ort abspielte.

In Luhansk kursierten zunehmend Gerüchte, die Bewaffneten seien russische Soldaten oder Armeevertreter der benachbarten »Volksrepublik Donezk«. Doch im Kern handelte es sich um einen Machtkampf zwischen dem Republikchef Igor Plotnizkij und dem Innenminister der selbsternannten Republik, Igor Kornet.

Das Schweigen brach Kornet, der sich schon lange mit dem Regierungsstil Plotnizkjis unzufrieden zeigte. »Das Zentrum der Stadt wird von meinen Leuten aus Sicherheitsgründen blockiert. In Luhansk operiert derzeit eine ukrainische Diversionsgruppe. Alle Einwohner sollten aber Ruhe bewahren, die Situation befindet sich unter Kontrolle«, versicherte Kornet. Interessanterweise sollten zur sogenannten Diversionsgruppe, die im Interesse Kiews gehandelt haben soll, Beamte aus dem Kreis um Igor Plotnizkij gehören. Dieser reagierte mit der Entlassung des Innenministers.

»Kornet wurde von seiner Funktion suspendiert. Dass er die Entscheidung eines Gerichts nicht akzeptiert, zeigt, wie groß die Ambitionen dieses kleinen Mannes sind«, kommentierte Plotnizkjij. Er betonte auch, die Situation entwickele sich nicht zugunsten seines Kontrahenten. Doch die Realität sah anders aus - und zwar deutlich. Spätestens als die »Volksrepublik Donezk« den Putsch in Luhansk tatsächlich unterstützte und eine Kolonne mit Militärtechnik schickte, wurde klar: Für Plotnizkij wird es richtig eng.

Dass Donezk offen an der Seite Kornets spielte, ist kaum überraschend. Zwar haben Donezk und Luhansk all die Jahre nach dem Beginn des Donbass-Konflikts eine eigene gemeinsame Linie verfolgt, was dessen Lösung angeht. Die Beziehungen zwischen den beiden nicht anerkannten Republiken waren allerdings schon immer schwierig. Der Donezker Republikchef Alexander Sachartschenko befand sich in einem Interessenkonflikt mit Plotnizkij. Donezk hätte gern mehr wirtschaftlichen Einfluss in Luhansk, auch der völlige Zusammenschluss der beiden Volksrepubliken wäre im Interesse Sachartschenkos. Plotnizkij wehrte sich jedoch strikt dagegen - und so existiert zwischen den beiden Republiken zum Beispiel eine »Staatsgrenze« mit strengen Zollkontrollen.

In Donezk dürfte man sich daher gefreut haben, als am Abend des 23. November plötzlich ein Video auftauchte, das Igor Plotnizkijs Ankunft in Moskau zeigte. Doch erst am nächsten Abend wurde klar: Der 53-Jährige wird als Republikchef tatsächlich abgesetzt. »Heute ist Igor Plotnizkij wegen seines Gesundheitszustandes zurückgetreten. Seine zahlreichen Kampfverletzungen haben dabei eine Rolle gespielt«, heißt es in der Stellungnahme seines Nachfolgers Leonid Pasetchnik, der diese Funktion bis zu den nächsten Wahlen geschäftsführend übernimmt. Was damit gemeint ist, ist nicht ganz klar. Die nächsten regulären Wahlen des Republikchefs sollen im Herbst 2018 stattfinden - es sei denn, die Lokalwahlen im Donbass werden bis dahin doch gemäß der Vereinbarung von Minsk angesetzt.

Der 47-jährige Pasetschnik machte eine steile Karriere beim ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU, er führte lange eine wichtige Abteilung der SBU im Regierungsbezirk Luhansk an. Seit Oktober 2014 ist er Minister für Staatssicherheit in der »Volksrepublik Luhansk«. Ihm werden gute Beziehungen zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB nachgesagt. Das könnte einiges über die Position Moskaus zum Machtwechsel in Luhansk sagen, während Russland die Situation offiziell nur vorsichtig kommentiert. Interessant ist zudem, dass Igor Plotnizkij nun zum Beauftragten für Implementierung des Minsker Abkommens ernannt wird.

Die Tatsache, dass Plotnizkij das Minsker Protokoll für Luhansk unterschrieben hat, soll den 53-Jährigen im Konflikt mit Igor Kornet gerade noch von einer vollen politischen Blamage gerettet haben. Seine erfolgreiche Absetzung könnte dennoch den Status Quo in der Region richtungsweisend ändern. Zu erwarten ist eine Annäherung zwischen den »Volksrepubliken« Donezk und Luhansk. Auch ein Zusammenschluss ist perspektivisch nicht auszuschließend. Außerdem sollte es für Russland nun leichter werden, grundsätzliche Positionen der beiden Republiken zu koordinieren.

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